Raumfahrergarn
Hoffnungen quälen, nur um dir später schlechte Nachrichten überbringen zu müssen. Aber jetzt bin ich froh, daß ich dir alles sagen kann!«
»Ich habe zwei Jahre lang gewartet. Da haben ein paar Wochen mehr nicht geschadet«, sagte Lunzie und sah sich nach einem Taschentuch um. Tee zog eins aus dem Ärmel und hielt es ihr hin. Sie wischte sich Augen und Nase ab und schnauzte laut. »Wo ist sie, Tee?«
»Dr. Fiona hat fünf Jahre lang auf Glamorgan gearbeitet, viele Lichtjahre von hier in Richtung der Wega, um eine Virusseuche einzudämmen, die den Fortbestand der Kolonie gefährdete. Ihre Arbeit dort ist getan. Sie ist jetzt unterwegs nach Alpha Centauri, um ihre Familie wiederzusehen. Selbst mit einem FTL-Antrieb erfordert die Reise mehrere Sprünge, und sie wird wahrscheinlich zwei Jahre brauchen, um dort einzutreffen. Ich konnte nicht direkt mit ihr Kontakt aufnehmen.« Tee grinste schelmisch. Das Beste hatte er sich offenbar bis zum Schluß aufgehoben. »Aber deine drei Enkel, fünf Urenkel und neun Ururenkel sagten, daß sie sich sehr freuen würden, ihre erhabene Vorfahrin kennenzulernen. In diesem Kubus habe ich Hologramme von allen gespeichert.«
Lunzie hörte mit wachsender Begeisterung zu und fiel ihm um den Hals, als er mit einer schwungvollen Bewegung den Kubus hervorholte. »Mein Gott, Enkelkinder! An Enkelkinder habe ich überhaupt nicht gedacht. Zeig sie mir.«
»Das hier wurde aus dem Postspeicher kopiert, den der Zahlmeister an Bord des Handelsschiffs Prospero vom Alpha Centauri mitgebracht hat«, erklärte Tee, als er den Kubus in den Leseschlitz der Computerkonsole steckte. Lunzie kletterte aufs Sofa und sah mit glänzenden Augen zu, wie sie im Projektionsfeld langsam ein Bild aufbaute. »Es sind nur einige knappe Informationen über deine Verwandten. Die Nachricht ist kurz. Ich glaube, dein Enkel Lars ist ein Geizkragen. Es ist seine Stimme, die da spricht.«
Im Projektionsfeld der Konsole erschien das holographische Bild eines schwarzhaarigen Mannes Anfang Fünfzig. Lunzie beugte sich vor, um ihn näher zu betrachten. Das Bild sprach zu ihr. »Hallo, Lunzie. Ich heiße Lars und bin Fionas Sohn. Weil ich nicht weiß, wann dich diese Nachricht erreichen wird, nenne ich dir, statt der aktuellen Daten, einfach die Namen und Geburtsdaten in Standardjahren aller Familienmitglieder. Zuerst meine. Ich bin der Älteste. Ich wurde 2801 geboren.
Hier ist das letzte Bild, das ich von Mutter geschossen habe, bevor sie das letzte Mal aufgebrochen ist.« Seine Stimme klang vorwurfsvoll. »Wie du sicher weißt, arbeitet sie sehr emsig an ihrer Karriere.«
Vor Lunzie erschien das Bild einer Frau mittleren Alters. Es war unübersehbar eine scharfe und klare Studioaufnahme, die ein Profi aufgenommen hatte. Ihr dunkles Haar, das hier und dort von einer silbergrauen Strähne durchzogen war, war auf dem Kopf zu einem Knoten geflochten. Sie stand entspannt da und trug eine makellose Uniformjacke, deren strenger, förmlicher Schnitt einen Kontrast zu ihrer lockeren Haltung bildete. Sie hatte feine, gewellte Falten in den Augenwinkeln und betonte ihre Wimpern. Zwischen ihrer Nase und den Mundwinkeln hatten sich tiefe Lachfalten eingegraben, aber ihr Lächeln war immer noch das wundervolle, glückliche Grinsen, das Lunzie in Erinnerung hatte. Sie schloß die Augen, und für einen Moment stand sie wieder auf Tau Ceti in der Sonne, an jenem letzten Tag, bevor sie zur Plattform Descartes aufgebrochen war.
»O mein Mädchen«, murmelte Lunzie, überwältigt von Sehnsucht und Bedauern. Sie drückte sich die Hand vor den Mund, als sie Fionas Hologramm aus ihrer Teenagerzeit mit dem Bild verglich, das sie jetzt vor sich hatte. »Sie ist so anders. Ich habe sie nicht aufwachsen sehen.«
»Es geht ihr gut«, sagte Tee und hielt die Aufzeichnung an. »Sie war glücklich, hörst du? Möchtest du nicht des Rest deiner Familie sehen?«
Lunzie nickte knapp und schlug die Augen auf. Tee strich mit der Hand über den Selenschalter, und Fionas Bild verschwand. Es wurde durch das Bild eines sehr schlanken jungen Mannes in Flottenuniform ersetzt. »Das ist mein Bruder Dugal, geboren 2807«, erklärte Lars’ Stimme. »Unverheiratet und keine nennenswerten Beziehungen. Er ist nicht oft zu Hause, weil er es in der FES-Flotte zum Kapitän gebracht hat. Manchmal transportiert er Mutter und ihre Hundeembryos von einem Einsatzort zum nächsten. Das ist oft die einzige Gelegenheit, daß sie einer von uns sieht.
Meine Frau ist
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