Raumkapitän Sun Tarin
persönlich es heute bedaure, dass es zu unseren Gegnern zählte. [Wer weiß, vielleicht gibt es ein paralleles Universum, in dem nicht wir das auserwählte Volk sind, sondern sie. Mögen die spirituellen Vorstellungen der Religionen, die ihre Kultur hervorbrachte, auch nicht an das theologische Niveau der unseren heranreichen, so muss ich doch ehrlich zugeben, dass die Menschen im Grunde alles haben, was es braucht, um Verbreiter einer Göttlichen Ordnung zu sein. Alles, abgesehen davon, dass Gott sie nun mal nicht erwählt hat. Wir sind uns – abgesehen von der Tatsache, dass ihre Weibchen unfähig zum Eierlegen sind und somit eigentlich keine wirklich überzeugenden Attribute der Weiblichkeit aufweisen – ähnlicher, als es so mancher wahrhaben möchte. Von der Sache mit dem fehlenden Schnabel will ich jetzt mal nicht anfangen …] { * }
»Ich nehme an, dass man euch über das Ziel der Mission informiert hat«, forschte ich.
»Nein, Kommandant. Uns wurde gesagt, dass die Einzelheiten strengster Geheimhaltung unterlägen und wir durch den Kommandanten informiert würden.«
So geheim? , dachte ich. Ich wusste aus den Erzählungen meines Vaters und natürlich meines Onkels, dass in vergleichbaren Fällen zumindest die Offiziere zu einer Besprechung einberufen wurden und die nötigen Informationen erhielten. Manchmal kam sogar der an Bord befindliche Tugendwächter dazu, wobei Letzteres immer ein kleines Machtspiel zwischen den Tanjaj, der Organisation der Tugendwächter und der Priesterschaft war.
»Also brechen wir auf«, sagte ich. »Rudergänger, starte die Triebwerke!«
»Jawohl, Kommandant! Dein Befehl entspreche Gottes Wille!«
Seltsam, dass mir diese damals sehr häufig verwendete rituelle Formel bis heute in Erinnerung geblieben ist.
Manchmal denke ich, dass sich dahinter Zweifel darüber verbergen, ob es tatsächlich Gottes Wille war, der mich damals leitete. Aber seitdem mir ein Priester versicherte, dass der Zweifel zum Handwerkszeug des Gläubigen gehöre und es völlig normal sei, in dieser Hinsicht manchmal unsicher zu sein, kann ich diese Zweifel leichter ertragen. Vielleicht war es mir dadurch auch leichter möglich den Verunsicherungen zu entgehen, die das Leben unter den Menschen für mich bereithielt.
Doch das ist ein Thema, auf das ich vielleicht an anderer Stelle näher eingehen möchte.
Die Impulstriebwerke liefen warm. Damals wusste ich es noch nicht, aber die Schiffe der Menschheit durchläuft ein ganz ähnliches Brummen, wie es an Bord von kridanischen Einheiten der Fall ist. Es scheint, als hätten beide Völker ein sehr ähnliches Antriebssystem unabhängig voneinander und zu unterschiedlichen Zeiten entwickelt.
Nur dass die Kridan Jahrtausende früher zu den dafür notwendigen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen gelangten – ein Umstand, dem wir die Tatsache verdanken, dass das Sternenreich der Menschheit vergleichsweise klein ist.
Auch heute noch.
Ich gab die routinemäßigen Befehle, die dazu führten, dass die SCHNABELWEISER auf eine Geschwindigkeit von zwei Fünfteln der Lichtgeschwindigkeit beschleunigte, sodass wir in den Zwischenraum eintauchen konnten – jene Sphäre, die Gott uns schenkte, um das Imperium in die Weiten des Alls ausdehnen zu können.
Sobald wir uns im Zwischenraum-Flug { * } befanden, übergab ich das Brückenkommando an einen niederen Offizier und berief eine Konferenz der Tanjaj-Offiziere ein.
Der Tugendwächter, der bislang nichts gesagt hatte, meldete sich nun zu Wort.
»Ich bestehe darauf, dabei anwesend zu sein«, erklärte er. »Im Übrigen empfinde ich es ohnehin als grobe Unverschämtheit, dass man mir im Vorfeld jegliche Informationen verweigert hat.«
»Dafür gibt es Gründe«, gab ich zurück.
»Außerdem habe ich kein Verständnis dafür, dass meine Kabine nicht über einen Zugang zu einem autonomen Zwischenraum-Funkkanal verfügt, über den ich jederzeit Berichte absetzen kann.«
»Es gibt eine Order zur absoluten Funkstille während der gesamten Mission«, erwiderte ich. »Und ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass man dich darüber nicht informiert hat, ehrenhafter Wächter der Tugend und Bewahrer der Tanjaj vor den Versuchungen des Unglaubens und der Sünde.«
Daraufhin schwieg der Tugendwächter. Sein Verhalten ließ nur einen Schluss zu: Man hatte ihn sehr wohl über das Gebot zur absoluten Funkstille informiert. Das, was er jetzt veranstaltete, war nichts anderes als eine versteckte Machtprobe. Er wollte mir
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