Raumkapitän Sun Tarin
verweigern, den Gott von seinem auserwählten Volk fordert?
Die Sprüche des Ersten Raisa, Kapitel 3, Vers 5
»Federt die Geierköpfe!«
Titel einer rassistischen Hetzschrift, die seit 2237 kursiert und deren Netzspuren bis zu einer Aktivistin namens Sarah Windsor zurückverfolgt werden konnten.
»Der Anschlag auf Tau Ceti war zweifellos einer der verheerendsten Schläge, die uns das Heilige Imperium der Kridan in diesem Krieg versetzt hat. Dabei sehe ich noch nicht einmal an erster Stelle die Wirkung der tatsächlichen Schäden. Der Hauptschaden dürfte psychologischer Natur sein. Eines Tages wird man von Tau Ceti als dem Pearl Harbor der Solaren Welten sprechen.«
Admiral Gregor Rudenko,
Memorandum an den Vorsitzenden
des Hohen Rates der Solaren Welten,
Hans Benson,
verfasst 10.1.2238
Aus den Aufzeichnungen Sun-Tarins
Der Augenblick der Reinigung im Tempel, die jeder Tanjaj vor einer neuen Mission durchführt, ist immer auch eine Möglichkeit, die eigenen Gedanken zu reinigen.
Im Tempel herrscht Stille. Und nicht einmal die Tugendwächter können einen dann mit ihren Hinweisen malträtieren.
Ich hatte den Priester der militärischen Orbitalbasis WÄCHTER DES RAISA gebeten, mir aus den Heiligen Schriften vorzulesen, wozu er auch bereit war. Er wusste nicht, wie überaus bedeutsam die Mission war, die man mir anvertraut hatte. Aber er war bereits über hundert Jahre alt und hatte sogar meinen Großvater noch gekannt.
Sein Schnabel hatte bräunliche Flecken bekommen. Das geschieht, wenn sich die oberste Schutzschicht im Laufe eines langen Kridan-Lebens langsam zersetzt und man nicht darauf achtet, den Schnabel nicht in Getränke mit starkem Säure- oder Alkoholgehalt zu halten. Den Priestern war das in der Regel gleichgültig, da unter ihnen Eitelkeit noch weitaus verpönter war als in der kridanischen Gesamtbevölkerung.
Was die Schnabelflecken angeht, so waren sie vielleicht ein Indiz dafür, dass der Priester vor der Berufung in sein Amt einem weitaus weniger tugendhaftem Leben zugeneigt gewesen war.
Ich weiß, dass Alkohol bei manchen Arten – insbesondere unter der Menschheit – vor allem als Genuss- und Rauschmittel gilt. Ich habe darüber während meiner Zeit, die ich unter Menschen lebte, einiges im Datennetz der Solaren Welten gelesen. Demzufolge ist Alkohol lipidlöslich und vermag daher die chemische Schranke zum Gehirn zu überschreiten. Es wirkt somit direkt auf dieses Organ und sorgt dann für Rausch, Verwirrung, Selbstüberschätzung und mitunter auch für Aggression.
Aber ich spreche hier ausdrücklich vom Gehirn der Menschen und nicht von dem der Kridan, denn beim kridanischen Hirn ist Lipidlöslichkeit nicht das entscheidende Kriterium zur Überwindung der chemischen Schutzschranke, die das Eindringen schädlicher Substanzen verhindern soll.
Darum hat Alkohol auf Kridan auch keine vergleichbare Wirkung. Vielmehr wird er wegen seines hohen Brennwertes zur schnellen Aufnahme vieler Kalorien verwendet, was die hässliche Gesichtsdürre bekämpfen hilft, die insbesondere bei Kridan jüngeren Lebensalters auftreten kann. So ist bei den Kridan Alkoholmissbrauch immer ein Zeichen unziemlicher Eitelkeit und nicht der Hingabe an ein den Geist verwirrendes Rauschmittel.
Nun, dieser Priester schien doch noch irgendwann auf den Pfad der Tugend zurückgefunden zu haben.
»Der Sohn und der Enkel Sun-Tarins zu sein und diesen großen Namen geerbt zu haben, ist eine große Verpflichtung«, sagte er.
»Das ist mir sehr wohl bewusst«, erklärte ich und senkte dabei meinen Schnabel so weit, dass die Spitze den Brustbereich berührte.
»Wie heißt das Schiff, das du kommandieren wirst, Tanjaj?«
»Seinen Namen darf ich nicht äußern«, sagte ich daraufhin, was der Wahrheit entsprach. Es galten für meine Mission die allerstrengsten Geheimhaltungsregeln. Eine absolute Funkstille galt ab dem Verlassen des Kridania-Systems. Der Befehl des Mar-Tanjaj war unwiderruflich.
Es gab keinen denkbaren Grund, weshalb mit mir Kontakt hätte aufgenommen werden sollen.
Und ehrlich gesagt bezweifle ich, dass der greise, ziemlich hinfällige Raisa über das Ziel meiner Mission überhaupt informiert war.
Dass diese Mission voller Gefahren sein würde, war mir natürlich klar.
Aber das, was ich am meisten fürchtete, hatte mit diesen Gefahren nicht das Geringste zu tun.
Die größte Gefahr für meine Mission sah ich darin, dass der Raisa vielleicht während meiner Mission
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