Raumkapitän Sun Tarin
lokale Datennetz angefertigt habe. Ich hätte mich nie darauf einlassen sollen.«
»Jedenfalls ist Ihr Name untrennbar mit den Riesenvögeln verbunden.«
»Wissen Sie, dass ich mal davon geträumt habe, eine wissenschaftliche Karriere zu machen? Nun benennt man eine Tierart nach mir, aber die Science Community bekommt davon frühestens in vier Jahren etwas mit, wenn die Artikel, die ich vor einem Jahrzehnt schrieb und die inzwischen schon längst überholt sind, endlich die Erde erreichen und dort vielleicht veröffentlicht werden.«
»Aber man wird sich an Sie erinnern, wenn man in hundert Jahren auf eine Beltran-Farm kommt und diese Riesenvögel sieht …«
»… und wenn man sie vor sich auf dem Teller als saftiges Steak hat«, vollendete Beltran. »Ein Beltran-Steak medium, bitte. Aber ohne Kräuterbutter und nicht zu viel Synthetik-Pfeffer.« Beltran schüttelte entschieden den Kopf. »Ich glaube kaum, dass ich mich daran gewöhnen kann. Wahrscheinlich wird das Ganze darauf hinauslaufen, dass ich meinen Namen ändern muss, um nicht dauernd das Gefühl zu haben, im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu stehen.«
»Sie werden bald noch auf ganz andere Weise im Mittelpunkt stehen, Beltran«, glaubte Ndonga. »Falls Sie den Mut haben, mit dem, was Sie herausgefunden haben, an die Öffentlichkeit zu gehen.«
»Ich habe nichts herausgefunden«, behauptete Beltran trotzig. Er hatte keine Lust, darüber zu reden. Aber er wusste auch, dass Ndonga nicht lockerlassen würde. Niemals. Er machte mit seinen Sticheleien manchmal eine Pause, aber er hörte nicht damit auf, den Spieß in der Wunde herumzudrehen.
»Ach nein?«, sagte der Pilot, und sein Tonfall war voller Ironie.
»Es gibt Indizien. Hinweise. Und eine Hypothese – aber keine Beweise.«
»Ach, kommen Sie, Sie wissen, dass das alles längst ausreicht. Ich verstehe nichts von den Dingen, die Sie studiert haben, Beltran – aber wenn ich schon die Tragweite der Sache begreife, wird es jeder tun.«
Ja , dachte Beltran. Ndonga, deswegen zögere ich noch … Denn ich werde es nicht mehr rückgängig machen können, wenn ich den entscheidenden Schritt einmal gegangen bin … Und dann gibt es nicht mehr und nicht weniger als eine kleine Revolution auf Second Earth …
Ein Signal ertönte.
Das Ortungssystem war auf bestimmte Merkmale ausgerichtet, die mit Beltrans gegenwärtigen Forschungen zu tun hatten.
Das System ortete Knochen . Hunderte, Tausende von Riesenvogel-Knochen, die vom Moos überwuchert wurden und deswegen nicht sichtbar waren.
»Ein Friedhof …«, murmelte Beltran.
»Sollen wir landen?«, fragte Ndonga.
Beltran nickte.
Der Gleiter setzte sanft auf der moosbedeckten Oberfläche auf.
Fast einen Meter dick war die Schicht an manchen Stellen. Die unteren Moosschichten zerfielen zu Erde. Eine dicke Schicht Humus hatte sich gebildet und sorgte dafür, dass die neuen Moosschichten umso schneller wuchsen.
In Gegenden mit hohen Moosschichten musste man aufpassen, nicht den Riesenraupen zu begegnen. Zumindest nicht, ohne einen Schutzanzug zu tragen. Diese säurespeienden Biester waren recht unangenehm, bevor sie sich in die prächtigen Riesenfalter verwandelten, die immer wieder den hellblauen Himmel von Second Earth zierten.
»Sind Raupen in der Nähe?«, wollte Beltran wissen.
Ndonga nickte.
»Fünf oder sechs.«
»Die lassen sich leicht verjagen.«
An der Außenseite des Gleiters gab es eine Sprühvorrichtung, die Duftstoffe aussandte, auf die die Raupen extrem empfindlich reagierten. Es handelte sich um Vanille-Aroma. Man brauchte nicht viel davon, und schon zeigte sich bei den Riesenraupen ein durchschlagender Erfolg. Sie tauchten mit ihren augenlosen Köpfen aus dem Moos auf und stoben, wie von Todesangst erfüllt, davon. Nichts und niemand hätte sie dann aufhalten können.
Schon wenige Augenblicke später konnte Ndonga melden, dass sich in einem Umkreis von einem Kilometer keine einzige Riesenraupe mehr befand.
Nur eine kleinere Schar ihrer durch eine wundersame Metamorphose gegangenen Artverwandten schwebte über ihnen am Himmel. Aber dagegen hatte niemand etwas einzuwenden. Die Riesenfalter verspritzten jedenfalls keine Säure und waren schon deswegen beliebter als die Raupen.
Beltran stieg aus. Er trug einen Ortungsscanner in der rechten Hand und schwenkte ihn umher, während er durch das Moos trat und dabei teilweise bis über die Knie einsank. Ndonga folgte kurze Zeit später.
»Das ist der größte Friedhof,
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