Raumkapitän Sun Tarin

Rangniederen zu äußern wagt, ohne dass man es als unhöfliche Unbeherrschtheit interpretieren würde.
    »Ich meine es ernst«, fuhr der Erste Offizier fort. »Die Signatur ähnelt einfach zu sehr einem Schiff, auf das verschiedene Verbände unserer Tanjaj bereits im Niemandsland trafen …«
    »Man sieht sich immer zweimal«, sagte ich. »Mindestens …«
    Der dritte Waffenoffizier meldete einen Treffer beim Gegner. Aber die Prognose des Bordrechners lag nur bei fünfundfünfzig Prozent.
    Die Irrtumswahrscheinlichkeit war also extrem hoch, und ich blieb skeptisch. Auf diese Entfernung einen wirklich zerstörerischen Grasertreffer erzielen zu können, war sehr unwahrscheinlich – zumal für den dritten Waffenoffizier, der ein Geschütz bediente, dessen Stärken eigentlich eher im Nahbereich lagen.
    Auf den Kurs unseres Verfolgers hatte dieser angebliche Treffer, der sich im Übrigen ortungstechnisch nicht bestätigte, keinerlei Einfluss. Das sprach eher dafür, dass es entweder eine komplette Fehlmeldung oder allenfalls ein leichter Treffer gewesen war.
    Unsere Waffenoffiziere taten, was sie konnten, aber das Menschenschiff verringerte die Distanz und begann schließlich, selbst das Feuer zu eröffnen. Wir hatten die Phase unseres taktischen Vorteils nicht nutzen können, um den Gegner abzuschütteln oder zu zerstören.
    Dennoch machte ich mir keine allzu großen Sorgen. Ein bisschen mussten wir noch durchhalten, dann hatten wir es geschafft.
    Geschosse hagelten an uns vorbei. Keines traf.
    So erreichten wir schließlich die nötige Geschwindigkeit, um in den Zwischenraum einzutreten – und entmaterialisierten.
     
     
    Ich war damals überzeugt davon, dass wir gegen die schlimmsten Barbaren kämpften, die das Heidentum gegen die Mächte des Glaubens aufzubieten hatte. Die Aufzeichnungen meines Großvaters spielten bei dieser Einschätzung sicher eine entscheidende Rolle.
    Als ich später Austauschoffizier auf dem Menschenschiff STERNENFAUST II wurde, habe ich in den allgemein zugänglichen Datenarchiven nachgeforscht, sobald ich mit der Sprache und den von der Menschheit benutzten Schriftzeichen einigermaßen vertraut war. Ich wollte einfach wissen, was in der Zeit nach dem Krieg, den die Menschen als ersten Kridan-Krieg bezeichnen und der für uns der erste Menschenkrieg war, geschehen ist.
    Und ich wollte natürlich auch in Erfahrung bringen, wie die Geschichte der Kolonie von grausamen Vogelessern nach jenem Erkundungsflug weiterging, den mein Großvater durchgeführt hatte.
    Wie ich schon mal sagte, ich glaubte damals, für das Richtige und Gute zu kämpfen. Allerdings hatte ich keine Ahnung davon, dass die Tötung und der Verzehr von Beltrans bereits seit einigen Jahren verboten war. Der Fairness halber muss ich auch zugeben, dass diese Abscheulichkeit des Verzehrs von intelligenten Lebensformen nach den Gesetzen der Solaren Welten von Anfang an untersagt war. Allerdings dauerte es Jahre, bis man das entsprechende Bundesgesetz auch im lokalen Parlament von Second Earth ratifizierte.
    Die Solaren Welten gehen sehr weit in ihrer Toleranz gegenüber anderen Lebensformen. Viel weiter, als es der Praxis bei der Kolonisierung des 50-Lichtjahre-Radius um das Sol-System entsprach. Demnach war es untersagt, Welten zu besiedeln, die bereits von einer einheimischen intelligenten Spezies bevölkert wurde.
    Das Problem war nur, dass die meisten Verstöße gegen dieses Gesetz sich in der Zeit vor der Gründung der Solaren Welten ereigneten. Und am Status quo wurde nicht gerüttelt. Die Räumung bereits bestehender Kolonien war ausdrücklich ausgeschlossen worden. Andernfalls hätte das Gesetz wohl auch niemals eine Mehrheit im Hohen Rat bekommen.
    Die Schlachtung und Verwendung als Nahrungsmittel war bei intelligenten Spezies allerdings in jedem Fall verboten und zwar völlig unabhängig von deren tatsächlichem oder vermeintlichem Einverständnis.
    Zudem entstand auch innenpolitischer Druck auf die Beltran-Schlachtwirtschaft von Second Earth. Vor der Erfindung des Bergstrom-Antriebs – worunter die irdische Version eines ähnlichen Antriebssystems zu verstehen ist, wie wir Kridan es bereits seit Jahrhunderten benutzen – kamen nur sehr wenige Raumschiffkonvois mit jahrelangem Abstand zueinander ins Tau-Ceti-System. Die Zahl der Einwanderer hielt sich also in Grenzen und damit auch die Anzahl derer, die dem Verzehr von Beltrans kritisch gegenüberstanden.
    Meinen Nachforschungen in den öffentlich zugänglichen