Raumschiff 2 - Nancia
einen stark begrenzten Satz von Befehlen zu verstehen und zu befolgen.
Doch mußte sie wissen, was sie vorhatten. Sie öffnete einen Audiokanal und hörte, wie Blaize gerade Darnell und Polyon mit einem »Sie hat es nie verkauft, immer nur verschenkt!« im Chor anführte, während Fassa wütend schmollte und sich in ihre Kabine verdrückte.
In Nancia keimte der Verdacht, daß dies wohl noch eine der längsten zweiwöchigen Reisen werden würde, die ein GehirnSchiff jemals hatte durchmachen müssen.
KAPITEL 2
POLYON
Nancia sah neugierig zu, als Polyon de Gras-Waldheim in die Zentralkabine geschlendert kam. Die anderen Passagiere schliefen gerade die Nachwirkungen ihrer Abschiedsparty aus, schnarchend und um sich schlagend, als die letzten Reste des Stimulans in ihren erschöpften Körpern abgebaut wurden.
Polyon hatte sich bemerkenswert früh wieder erholt. Wie jeder gute Akademieschüler, war er um 06 Uhr 00 Schiffszeit wieder aufgestanden, hatte sich in der Duschkabine gereinigt und seine säuberlich gebügelte graue kleine Dienstkleidung angelegt, bevor er sich wieder in der Öffentlichkeit zeigte.
Nancia hatte die Videosensoren in den Kabinen abgeschaltet, damit ihre Passagiere auch die Ungestörtheit behielten, die sie erwarteten; doch die Audiosensoren versorgten sie mit
genügend kleineren Geräuschen, um Polyons
frühmorgendliche Toilette mitzuverfolgen.
Ihren ersten Blick warf Nancia auf Polyon, als er den Gang zur Zentralkabine entlangschritt. Das war öffentliches Gebiet, und sie hatte keine Vorbehalte, dort sämtliche Sensoren aktiviert zu halten. Und Polyon de Gras-Waldheim war
tatsächlich eine Sensorenweide. Er war nur knapp unter zwei Metern groß, sein goldenes Haar gnadenlos im Bürstenschnitt der Akademie gestutzt, ein glückliche Verbindung des Besten, was die Familienlinie der Waldheims und der de Gras zu bieten hatten: die Körpergröße und die unverwüstliche Kraft der Waldheims sowie die Kultiviertheit und das schnelle Auffassungsvermögen der de Gras. Nancia überkam ein kurzer Anflug des Bedauerns. Polyon hatte einen Abschluß der
Raumakademie; er hätte durchaus ihr Pilot werden können.
Ein de Gras-Waldheim? höhnte eine innere Stimme. Wovon träumst du da, Mädchen? Ein junger Mann, in dem sich diese beiden Erblinien verbanden, konnte mit einem weitaus höheren Posten rechnen als dem Kommando über ein GehirnSchiff.
Eigentlich hätte ihm eine Stabsposition zugestanden, da er schließlich als Führungsoffizier ausgebildet war.
Der kurze Datenstoß mit den Informationen über ihre
Passagiere und ihre Flugziele hatte nicht erklärt, weshalb Polyon, anstatt in einen Flottengeneralstab einzutreten, als technischer Aufseher ausgerechnet in eine Gefängnis-Metachipfabrik in einem abgelegenen Subraum versetzt wurde.
Naja, es wird schon einen guten Grund dafür geben. Vielleicht ist im weganischen Subraum ja doch mehr los, als ich geahnt habe.
Nancia erinnerte sich an das unterbrochene
Nachrichtenbyte über Wega, ebenso an ihren Entschluß, der Sache etwas genauer nachzugehen, nun, da sie ihr eigenes Schiff war. Ich bin jetzt im Kurierdienst tätig; da sollte ich wohl besser zusehen, daß ich auf dem laufenden bleibe, was Tagesereignisse betrifft. Doch im Augenblick war es sehr viel interessanter, ihren Cousin zu beobachten, als die Dateien alter Nachrichtenübermittlungen hervorzuholen.
Polyon sah sich in der Kabine um, und seine Muskeln
entspannten sich kaum merklich, als er den Raum gemustert hatte; ein menschlicher Beobachter hätte diese kleine
Veränderung vielleicht gar nicht bemerkt, aber Nancia
registrierte seine Entspannung sofort. Das mußte die
Akademieausbildung sein, diese Wachheit beim Betreten eines unbekannten Gebiets. Von jemandem, der in der
Diensttradition der Hochfamilien ausgebildet war, hätte sie nichts Geringeres erwarten dürfen; ebensowenig hätte es sie überraschen sollen, daß Polyon zur üblichen Dienstzeit aufwachte, ganz gleich, was für Exzesse er in der Nacht zuvor veranstaltet hatte. Die anderen Passagiere mochten ja
verweichlicht und undiszipliniert sein, doch dieser hier wurde seiner Ausbildung wenigstens gerecht. Das ist das de-Gras-Blut in ihm,
dachte sie mit einem Anflug von
Selbstzufriedenheit; Daddy hatte immer den hohen Wert von Nancias durch ihre Mutterseite gegebenen Verbindung zum Haus de Gras betont.
Polyon sah noch einmal durch den Raum – wäre er kein de Gras-Waldheim gewesen, hätte Nancia seinen Blick
Weitere Kostenlose Bücher