Raumschiff 2 - Nancia
möglicherweise keine kluge Entscheidung«,
bemerkte Forister milde. »Wir sollten uns nicht mit den örtlichen Behörden anlegen. Gefängniskonflikte gehören nicht in unser Aufgabengebiet.«
»Dieser Mann schon«, erwiderte Nancia. Sie schaltete die Überwachungsmonitore ein, um ihm zu zeigen, was ihre
Sensoren gerade im Frachtdeckoff einfingen. Micaya Questar-Benn war die erste, die den Mann mit einem atemlosen
Aufkeuchen wiedererkannte.
»Der junge Bryley-Sorensen! Wie ist er denn in ein
Gefängnis auf Shemali gekommen… und wieder heraus…
noch dazu in einem solchen Zustand?«
»Das«, sagte Nancia grimmig, »würde ich auch gern wissen.«
Sev zerrte sich an einem der Stützträger in die Höhe, die sich quer durch das Frachtdeck zogen. »Nancia, laß sonst
niemanden herein. Es gibt… du weißt das nicht… schreckliche Dinge auf Shemali. Schrecklich«, wiederholte er. Er verdrehte die Augen und rutschte wieder zu Boden.
»Forister, Micaya, holt ihn aus dem Frachtdeck, bevor diese beiden Wächter gegen meine Luken hämmern«, rief Nancia.
»Nein, wartet. Ich habe eine Idee. Nehmt ihm erst die Kleider ab und laßt sie dort liegen.«
»Wozu?«
»Keine Zeit für Erklärungen. Tut es einfach!« Sie schickte ihre Küchensynthetisierer an die Arbeit und schaltete den Verbrennungsofen an. Das, was sie vorhatte, würde niemals funktionieren, wenn Shemali ein ordentlich geführtes
Gefängnis war. Doch was sie bisher an Raubbau auf diesem Planeten gesehen hatte, paßte zu allem, was sie noch von der skrupellosen Persönlichkeit des jungen Polyon de Gras-Waldheim wußte, und Sevs letzte hervorgekeuchte Worte
waren ihr genug Bestätigung.
Während Forister und Micaya den bewußtlosen Sev
entkleideten und in den Aufzug schleppten, erweiterte Nancia den Wahrnehmungsbereich ihrer Sensoren, um ihn genauer zu untersuchen. Sie speicherte alles für spätere Analysen ab, wobei sie besonders die schrecklichen Hautschürfungen
beachtete, die Sevs Arme und ein Bein verunstalteten. Dunkel angelaufene Prellungen blühten purpurn, blau und grün über Rippen und Magen, und sein Rücken war von einem Gitter geschwollener Platzwunden gezeichnet, aus denen Blut hervor sickerte, als die beiden anderen Normalpersonen ihn bewegten.
Seine Atmung ging flach und unregelmäßig, und er zeigte keinerlei Anzeichen, daß er sein Bewußtsein wiedergewinnen würde, als sie ihn zum Aufzug schleppten.
Was hatte man mit ihm auf Shemali gemacht? Oberflächliche Wunden konnte Nancia zwar behandeln, aber dies war ein Planet der Nervengase und Säuren. Die Schürfungen an seinen Armen und Beinen erschreckten sie, ebenso sein verzweifeltes, abgehacktes Atmen.
Was sie jetzt brauchten, war ein Arzt… und zufälligerweise gab es eine Ärztin an Bord.
Nancia überspielte ihre Aufnahmen von Sev in Alphas
Kabine. Sie hörte einen Ruf des Entsetzens, dann ein
stranguliertes Schluchzen. Das war Fassas Stimme, nicht Alphas. Nancia stellte fest, daß sie in ihrer Eile dasselbe Bild in alle Passagierkabinen gespeist hatte. Darnell fluchte bereits über die Unterbrechung seines Videos. Sie schaltete die Rezeptoren ihrer Kabine aus und holte sich die Gesichter der anderen drei Gefangenen auf die Schirme, um sie beobachten zu können, während sie sich mit Alpha besprach.
»Dr. Hezra-Fong«, begann Nancia förmlich, »wir haben
soeben einen Häftling mit schweren Verletzungen an Bord gebracht. Ich befürchte eine Ganglizidvergiftung. Können Sie ihn behandeln?«
»Das ist kein Ganglizid«, sagte Alpha bestimmt. »Kleinere Säureverbrennungen, das ist alles. Allerdings könnten
Lungenschäden vorliegen. Das kann ich aus diesen Bildern allein nicht erkennen. Und so, wie diese Prellungen liegen, mache ich mir auch Sorgen über etwaige Nierenschäden und innere Blutungen. Transportieren Sie ihn ins medizinisch-technische Zentrum. Ich werde ihn mir ansehen.«
Sie war kühl und schnell und kompetent; Nancia mußte diese Qualitäten bewundern. Aber durfte sie ihr auch Sevs
Gesundheit anvertrauen?
Alpha drückte gegen die geschlossene Kabinenluke und
wandte sich wieder an den Sensor. Ihr feines,
scharfgeschnittenes Gesicht war verkniffen vor Verärgerung.
»FN-935, ich kann diesen Mann nicht per Fernsteuerung
diagnostizieren und behandeln! Wenn Sie an seiner Gesundheit Interesse haben sollten, würde ich doch stärkstens empfehlen, daß Sie diese Luke öffnen und mir erlauben, meine Arbeit zu tun!«
Doch was würde sie außerdem noch tun?
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