Raumschiff 2 - Nancia
ich auf dieser Reise zu hören bekam… Simeon, darf ich dir eine
hypothetische Frage stellen? Angenommen, ein GehirnSchiff bringt in Erfahrung, daß einige Leute unmoralische Pläne verfolgen. Muß es sie dann melden?«
»Meinst du so etwas wie ein Mordkomplott? Oder
Hochverrat – einen Versuch, die Zentrale zu stürzen?«
»Ach du liebe Güte, nein, so etwas nicht!« Wie konnte Simeon nur so gelassen klingen, während er über derartig schlimme Dinge sprach? »Jedenfalls glaube ich nicht… ich meine, angenommen, sie hätten zwar nicht vor, jemandem weh zu tun, wollten aber doch etwas moralisch Falsches ausführen?
Möglicherweise sogar etwas Illegales?« Alphas Vorhaben, von einer Droge zu profitieren, deren Rechte der
Medizinhochschule der Zentrale zustanden; Polyons Idee, einen Schwarzmarkt für Metachips aufzubauen – nein,
versicherte Nancia sich selbst, ihre Passagiere mochten zwar widerwärtig und korrupt wie sonst etwas sein, aber wenigstens waren sie nicht gewalttätig.
»Und wie hätte dieses hypothetische GehirnSchiff von den Plänen seiner Passagiere Kenntnis erlangen sollen?«
»Ich… sie dachten, es sei ein Drohnenschiff«, antwortete Nancia, »und sie haben über alles ganz offen gesprochen. Sie hat auch alles aufgezeichnet.«
»Ich verstehe.« Simeon klang äußerst tadelnd, und für einen Augenblick glaubte Nancia, daß er ebenso schockiert von den Plänen ihrer Passagiere war wie sie selbst. »Und ist es dir vielleicht schon einmal in den Sinn gekommen, junge XN-935, daß es eine Form der Nötigung sein könnte, sich als
Drohnenschiff auszugeben, um das Gespräch von Mitgliedern der Hochfamilien zu belauschen? Ja angesichts der Tatsache, daß es sich bei den fraglichen Passagieren tatsächlich um Hochfamilien handelt, die eine enge Verbindung zu Gen-Com haben, könnte das Anfertigen geheimer Datenaufzeichnungen sogar als Hochverrat interpretiert werden. Was, wenn sie nun lebenswichtige militärische Geheimnisse besprochen hätten?«
»Aber sie haben doch gar nicht… ich habe nicht… hör zu, VS-895, die sind die Kriminellen, nicht ich!« schrie Nancia.
»Aua.«
Simeons Antwort war fast ein elektronisches Wispern.
»Schraub mal deine Wellen etwas herunter, ja? Das hätte mich ja gerade fast aus meiner Hülle geschüttelt.«
»Tut mir leid.« Nancia kontrollierte ihre Impulse und
kanalisierte einen sauberen, strammen Strahl auf Simeon.
»Aber ich begreife wirklich nicht, was du nun ausgerechnet mir vorwerfen willst.«
»Ich? Überhaupt nichts, XN, da kannst du ganz sicher sein.
Ich möchte dich nur warnen, daß die Gerichte solche Dinge etwas anders sehen könnten. Nun weiß ich zwar nicht, was deine jungen Passagiere alles ausgeheckt haben mögen, und es interessiert mich auch nicht sonderlich. Du hast noch nicht sehr viel von der Welt gesehen, sonst wüßtest du, daß die meisten Normalpersonen die Eigenart an sich haben, aus jeder
Situation, in der sie sich vorfinden, auf die eine oder andere Weise noch etwas mehr herauszuschlagen.«
Nancia dachte darüber nach. »Du meinst… sie sind alle korrupt?«
Simeon lachte. »Nicht alle, Nancia, nur genügend, um es interessant zu machen. Du mußt doch Verständnis für die armen Dinger haben. Eine kurze Lebensspanne, beschränkt auf fünf Sinnesorgane, ein Einkanalkommunikationssystem. Ich vermute, die fühlen sich irgendwie betrogen, wenn sie sich mit uns vergleichen. Und manche von ihnen übersetzen dieses Gefühl in den Versuch, für sich selbst noch ein paar
zusätzliche Dinge herauszuhauen.«
Nancia mußte zugeben, daß das, was Simeon da sagte, sehr einleuchtend klang. Und so versuchte sie seine Einstellung erhabener Distanziertheit nachzuahmen, als sie sich dem Geschäft widmete, ihre Passagiere im System Nyota ya Jaha an ihren jeweiligen Zielen abzusetzen. Da vier von ihnen immer noch glaubten, es mit einem Drohnenschiff zu tun zu haben, und der fünfte wußte, daß sie nicht mehr mit ihm sprach, war es ein leichtes, Abstand zu halten.
Nancia machte aus jeder Planetenlandung eine Übung in
präziser Planung und vollkommener Umlaufbahnangleichung.
Das war eine gute Praxis und half ihr dabei, sich um ihre eigenen Angelegenheiten und nicht um die ihrer Passagiere zu kümmern, und wenn die damit zusammenhängenden schnellen Manöver ihnen zu einem ziemlich holprigen Flug verhalfen –
um so schlimmer. Allerdings legte sie ihren Stolz darein, die eigentliche Landung selbst federweich zu gestalten. Zumindest
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