Raumschiff 2 - Nancia
öffnete.
»D-danke«, sagte Fassa, als sie sich mit einem Schluckauf das nasse Tuch vor den Mund hielt, das ihr von Nancias zweiter Sonde gereicht wurde. »Ich meine… ich weiß ja, daß du nur ein Drohnenschiff bist, deshalb ist das eigentlich albern, aber… ach, trotzdem danke.« Sie brach auf ihrer Pritsche zusammen, ein einziges Häuflein Elend. Nancia deaktivierte die Kabinensensoren, gab der Türblende den Befehl zum
Schließen und überließ Fassa sich selbst, damit sie sich erholen konnte. Wenigstens war das Mädchen charakterstark genug, dachte sie, sich von Drogen fernzuhalten, die nur den Verstand zerstörten. Und sie verfügte über hinreichend Manieren, um jedem zu danken, der ihr einen Gefallen getan hatte, selbst wenn es sich scheinbar um ein unbelebtes Drohnenschiff handelte. Ihre erklärte Absicht, Sex einzusetzen, um für ihre Firma Konzessionen zu beschaffen, war abstoßend, ebenso ihr Benehmen im allgemeinen; doch vielleicht war sie immer noch eine Spur weniger widerlich als der Rest von Nancias jungen Passagieren.
Die hatten Fassas leidvolles Mißgeschick völlig ignoriert, wie Nancia bemerkte. Polyon spielte gerade eine Solorunde
SPACED OUT, während die anderen kichernd bei einer neuen Flasche Smaragd-Sekt saßen. Nancia fragte sich beunruhigt, was diese Mischung aus Stimulantien und Depressiva dem Nervensystem einer Normalperson antun könnte – und was Alpha vielleicht noch alles an Bord geschmuggelt haben mochte. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, die Kabinensensoren abzuschalten; diese Leute hatten ja überhaupt keine Privatsphäre verdient.
Doch andererseits – was ging es sie an, wenn diese Leute sich mit Drogen in den Stupor befördern wollten? Wenigstens waren sie dann mit Sicherheit um einiges netter. Nancia konnte sich zwar nichts Entsetzlicheres vorstellen, als die eigenen Synapsen auch noch freiwillig durcheinanderzubringen, aber allen Berichten zufolge hatten Normalpersonen nun einmal einen seltsamen Geschmack.
Außerdem waren sie so viel leichter zu handhaben, nun, da sie viel zu betäubt waren, um irgend etwas anderes zu tun, als leise vor sich hinzukichern und ihren Smaragd-Sekt zu
verschütten. Nancias Hausarbeitssonden wischten die grünen Pfützen vom Kabinenboden; ihre Passagiere ignorierten die Sonden und ihre Reinigungsaktivitäten, während Nancia
wiederum, so weit es ging, die Passagiere ignorierte.
Denn jetzt gab es endlich jemanden, mit dem sie sich
unterhalten konnte.
Binnen Sekunden nach ihrem Austritt aus der Singularität hatte Nancia einen Feststrahlkontakt mit der Basis Wega hergestellt. Als Fassa gereinigt in ihrer Kabine untergebracht worden war und die anderen Passagiere sich mit ihren
jeweiligen Belustigungen vergnügten, hatte sie bereits die Identifikationssequenzen und offiziellen Mitteilungen
absolviert und plauderte nun fröhlich mit Simeon, dem
Verwaltungshirn der Basis Wega.
»Na, wie hat dir deine erste Reise gefallen?« fragte Simeon.
»Die Singularität war…« Nancia fand keine Worte dafür.
Statt dessen übermittelte sie einen kurzen Videostoß von Farben, die miteinander verschmolzen und sich aufblähten wie Seifenblasen, schillernde Lichtspuren, die fröhlich eine Spiralbahn umeinander zogen. »Ich kann den nächsten Sprung gar nicht erwarten.«
Simeon lachte. »Du Glückliche. Nach allem, was ich höre, wirkt sie nicht auf jeden so.«
»Meine Passagiere schienen sie nicht sonderlich zu
genießen«, räumte Nancia ein, »aber wen schert das schon?«
»Selbst Gehirn-Schiffe können der Singularität nicht immer so viel Gutes abgewinnen«, teilte Simeon ihr mit.
Nancia fand das zwar schwer zu glauben, aber sie erinnerte sich auch daran, daß Simeon ja ein stationäres Gehirn war. Im Herzen der Basis Wega eingehüllt, bestand seine einzige Reiseerfahrung wahrscheinlich aus dem einen Sprung, der ihn von der Laborschule hierherbefördert hatte – und zwar als Passagier. Vielleicht sollte sie lieber niemandem von den Freuden der Singularität vorschwärmen, der niemals die packende Erfahrung machen konnte, seine eigenen Sprünge zu lenken.
Außerdem wollte Simeon über etwas anderes sprechen.
»Du scheinst dich ja nicht sonderlich für das Wohlbefinden deiner Passagiere zu interessieren.«
Wieder versagte Nancia die Sprache. Sie dämpfte die Farben ihres Videostoßes zu einem schlammigen Wirbel aus
Grünbraun und Grau. »Es sind keine… sehr netten Leute«, antwortete sie schließlich. »Einige der Dinge, die
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