Raumschiff 2 - Nancia
und staunend darüber nachgedacht, was Normalpersonen doch alles um weniger Sekunden körperlicher Freiheit willen anzustellen bereit waren. »Haben Sie gesehen, wie sauber er diesen Sprung geschnitten hat!« hatte der Kommentator
geplappert, nachdem er einen der Athleten gezeigt hatte; dann hatte er erklärt, daß damit der saubere Sprung gemeint war, mit dem der Turmspringer ins Wasser eingedrungen war.
Nancia schnitt einen vollkommenen Sprung durch die
Singularität und trat in den weganischen Subraum hinaus.
Für ihre Passagiere, die während der Singularität nichts zu tun hatten und die über keinerlei Möglichkeit verfügten, den Ansturm sensorischer Daten auszufiltern, war der Übertritt weitaus weniger angenehm. Die wenigen Sekunden der De-und Rekomposition schienen ihnen wie ein stundenlanges Waten durch eine klebrig gewordene Luft, als würden sie sich ihren Weg zwischen Formen bahnen, die bis zur
Unkenntlichkeit verzerrt worden waren, an einem Ort, wo in der Luft Farben summten und Licht sich um Ecken bog.
Sie keuchten vor Erleichterung auf, als das Schiff schließlich wieder in den Normalraum eintrat.
Nancia sah mit an, wie sie umhertorkelten und sich Augen und Ohren rieben. Sie war ziemlich überrascht über die Intensität ihrer Reaktionen; der Ausbilder, der sie beim Singularitätstest begleitet hatte, hatte sich durch die wenigen Sekunden sensorischer Verzerrung augenscheinlich nicht aus der Fassung bringen lassen. Vielleicht war es eine Frage der Übung, wie Normalpersonen auf die Dekomposition
reagierten. Polyons erste Worte nach der Rückkehr in den Normalraum schienen dies nahezulegen.
»Nun, mes enfants«, sagte Polyon, »wie hat euch eure erste Dekomposition gefallen? Meine eigenen Übungsflüge liegen so lange zurück, daß ich schon ganz vergessen hatte, wie es Neulingen zusetzt.«
»Einmal ist mehr als genug«, antwortete Darnell heftig.
»Wenn ich jemals nach Hause zurückkehren sollte, werde ich mir die sechs Monate Zeit für eine normale überlichtschnelle Reise nehmen. Oder, noch besser, ich gehe zu Fuß!«
Fassa nickte heftig, dann zuckte sie zusammen, als wünschte sie sich, ihren Kopf doch nicht so früh bewegt zu haben.
»Nehmt ein Blissto«, bot Alpha an. »Es funktioniert bei Kater
– da sollte es eigentlich auch gegen Singularitätskopfschmerz gut sein.«
Darnell riß ihr die kleinen blauen Pillen aus der Hand und warf sie sich mit einem einzigen verzweifelten Schluck ein.
Fassa wollte erst den Kopf schütteln, dann überlegte sie es sich offensichtlich anders. Mit einer trägen Geste winkte sie Alphas Hand beiseite. »Ich rühre nie Drogen an.«
»Selber schuld«, meinte Alpha. »Ich weiß mehr über die Nebeneffekte als jeder von euch, und ich kann euch
versprechen, daß ein paar blaue Pillen keinen Schaden
anrichten können. Ich wünschte mir nur, ich hätte schon daran gedacht, bevor wir in die Singularität eintraten. Blaize?«
»Hervorragende Idee«, meinte Blaize hohl und nahm die
angebotenen Pillen entgegen. Anders als Darnell begab er sich an die gegenüberliegende Seite der Kabine, wo er eine
halbleere Flasche Smaragd-Sekt vorfand, den er zum
Herunterspülen der Pillen benutzte. »Fast so eine gute Idee wie das Gehen. Ich glaube, ich habe die Erde früher nie richtig zu schätzen gewußt.« Unter den Sommersprossen wirkte seine Haut fahlgrün.
Polyon kicherte. »Vielleicht war es ja doch noch ein
verkappter Segen, daß du keine Ausbildung als Pilot machen durftest, Kleiner. Anscheinend hast du nicht den richtigen Magen dafür. Wenn du dir jetzt noch vorstellst, häufige Dekom-Hopser mit Fertiggerichten aus gekochtem
Synthoprotein und anonymen Vitalkapseln zu mischen, die alle nach Kohl riechen…«
Fassa schlug sich die Hand vor den Mund und rannte auf die Luke zu. Darnell schluckte einige Male krampfhaft. »Würde es dir sehr viel ausmachen, im Augenblick vielleicht nicht ausgerechnet von Essen zu sprechen?« Seine letzten Worte klangen verwaschen und entspannt; das Blissto begann bereits zu wirken.
»Jedenfalls nicht, bevor ich nicht meine eigenen Blauen eingenommen habe«, fügte Alpha hinzu und ließ eine
Handvoll der schimmernden blauen Pillen in ihre Kehle
gleiten.
Fassa schaffte es nicht ganz bis in die Ungestörtheit ihrer Kabine. Stumm ließ Nancia Sonden ausfahren, die das
Erbrochene einsammelten und verdampften. Dann aktivierte sie den Riegel an Fassas Kabinentür, damit sich der Blenden Verschluß schillernd vor dem Mädchen
Weitere Kostenlose Bücher