Raumschiff 2 - Nancia
wenn auch inkompetenter
– Pilot; er mußte wissen, daß sie seine Worte aus jeder beliebigen Richtung auffangen konnte. Trotzdem fühlte sich Nancia auf unbestimmte Weise zurückgesetzt – als würde er sie sogar noch beim Antworten ignorieren.
»Dich zu den Zentralwelten zurückzubefördern ist mein
offizieller Auftrag, und den kann ich nicht verweigern. Aber ich wünsche nicht, daß du das als förmliche Bestätigung mißverstehst, dich als meinen Piloten anzunehmen. Ich hege nicht die Absicht, auf mein Recht auf freie Wahl meines eigenen Piloten zu verzichten, nur weil der Zentrale dieses Verkupplungsmanöver gerade in den Kram paßt.«
Was war denn jetzt plötzlich mit dem Mann los? Nach dem Start mit mehrfacher Gravitationskraft hatte er gerade begonnen, wieder etwas Gesichtsfarbe zu bekommen; nun
wurde er wieder bleich, starr wie eine Maske – oder eine Leiche. Nancia begann sich schon zu fragen, ob dieser Pilot es überhaupt bis zur Zentrale überleben würde. Wenn er körperlich nicht in der Lage sein sollte, diese Reise zu überstehen, hätte mich jemand warnen müssen.
»Natürlich«, sagte Caleb in einer Stimme, die so tonlos und bedeutungsleer klang, daß sie ebensogut von einer
Haushaltsdrohne hätte sein können. »Niemand erwartet von dir, auf dieses Recht zu verzichten. Schon gar nicht
meinetwegen.« Er drehte den Kopf und blickte zum ersten Mal direkt in den Sensor. »Schalte bitte die Sensoren dieser Kabine ab, XN. Ich möchte mich ausruhen. Und zwar allein«, betonte er. Mit einem Arm auf dem Gesicht, legte er sich wieder auf den Rücken. Einen Augenblick später wälzte er sich herum und legte das Gesicht auf die Pritsche, als sei er sich nicht sicher, ob Nancia ihn nicht doch beäugen würde.
»Simeon? Ich weiß doch, daß du meine Funkstrahlen
empfängst. SPRICH MIT MIR!«
»Du bist ein reichlich forderndes junges Ding, XN-935, und außerdem brüllst du schon wieder.«
»Tut mir leid.« Nancia war so froh, überhaupt eine Antwort vom Gehirn der Basis Wega zu erhalten, daß sie sofort die Intensität ihres Strahls an Simeons fast unhörbaren Funkstoß anpaßte. »Simeon, ich muß etwas über diesen Piloten in Erfahrung bringen, den sie mir aufgehalst haben.«
»Dann lies doch die Nachrichtendateien.«
»Das habe ich getan. Da steht nichts drin. Jedenfalls nicht das, was ich wissen muß.« Die Dateien waren auf ihre eigene Weise durchaus aufschlußreich gewesen: mit ihren farbigen Geschichten von einem Schiff und einem Mann, die durch einen plötzlichen Strahlenstoß beinahe vernichtet worden wären, von der stockenden, monatelangen Heimreise des Piloten in seinem verkrüppelten, hirnlosen Schiff und dem Heldenempfang, der ihm auf Wega 3.3 bereitet worden war, als er dort mit den Forschungsdaten eintraf, die einzusammeln man ihn einst ausgeschickt hatte. Die Geschichte von allem, was Caleb durchgemacht hatte, von den Monaten der
Einsamkeit und der Entbehrung, von den nachhaltigen
Auswirkungen der Strahlenverseuchung, hatten viel dazu beigetragen, um Nancias Gefühl gegenüber dem blassen
Piloten zu verändern, der auf Wega 3.3 an Bord gekommen war. Sie empfand einen gewissen Respekt für den Mann, den sie dabei beobachten konnte, wie er stundenlang in ihrer Fitneßkabine zubrachte, wo er mit Fluggewichten und
Federwiderständen hantierte, um seine verkümmerten Muskeln wiederherzustellen.
Für den Mann, der ihre anfängliche Feindseligkeit als völlig gerechtfertig akzeptiert, sie sofort aus seinem Geist verbannt und seitdem kein einziges Wort mehr zu ihr gesprochen hatte.
Stumm hatten sie die drei Tage miteinander verbracht, die die Reise zwischen den Sonnen Wega 3 und Wega 4 dauerte,
während Nancia ungeduldig darauf gewartet hatte, daß Simeon die Kommunikation wieder aufnahm, um ihn nach dem fragen zu können, was sie wissen wollte. Schließlich hatte sie damit begonnen, mit immer stärkeren Kommunikationsstößen gegen die Frequenzen des Gehirns der Basis Wega anzuhämmern, was bei ihm das Gegenstück zu den ›Kopfschmerzen‹ einer Normalperson ausgelöst haben mußte.
Nancia komprimierte die bereits gelesenen Nachrichtenbytes und strahlte sie in drei kurzen Stößen an Simeon ab, um ihn davon zu überzeugen, daß sie durchaus ihre Hausaufgaben erledigt hatte.
»Was willst du denn noch wissen?«
»Wie. Hat. Er. Die. Kontrolle. Über. Sein. Schiff. Verloren?«
Nancia unterstrich jedes Wort mit einem Stoß irritierter Statik.
»Du hast doch die
Weitere Kostenlose Bücher