Raumschiff 3 - Tia
bint Chad ließ sich in ihren Sessel gleiten und lächelte den Mann neben ihr am Ende des riesigen schwarzen Marmortischs höflich an. Er antwortete mit einem Nicken und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Aktienkurse, die er gerade am Monitor seines Datenterminals las. Nun kamen auch weitere Männer und Frauen herein und besetzten die verbliebenen Plätze um den Tisch. Angelica hatte sich unter dem Vorwand Zugang zu der Sitzung verschafft, die Firma ihres Onkels in einem nicht näher benannten Geschäft zu vertreten.
Es war ein sehr würdig ausgestattetes heiliges
Konferenzzimmer: Die Lampen hatten genau die richtige
Intensität; der Sessel war äußerst behaglich. Die warmen Weißtöne, das kühle Schwarz und Grau schufen eine
Atmosphäre der Effizienz und Wichtigkeit, ohne steril zu sein.
Nichts von alledem schüchterte Angelica ein. Sie hatte in der Vergangenheit schon Hunderte solcher Sitzungszimmer zu
sehen bekommen und würde wahrscheinlich noch Tausende
weitere erleben, bis ihre Karriere so weit fortgeschritten war, daß sie zu beschäftigt sein würde, um auf solchen Missionen hinausgeschickt zu werden. Ihr Onkel hatte sie nicht zur Rechtsvertreterin von Frau Cade gemacht, weil sie miteinander verwandt waren; er hatte sie vielmehr ausgesucht, weil sie die beste Rechtsvertreterin der ganzen Firma war. Und dieses besondere Vorhaben würde einer besonderen Vorgehensweise bedürfen, denn was Frau Cade wollte, war nichts, wozu der Aufsichtsrat von Moto-Prothesen bereit sein würde. Diese Leute dachten nur an unfreundliche Übernahmen, an
Giftpillen, an goldene Fallschirme. Frau Cade aber hatte einen völlig anderen Fahrplan. Wenn die Sache nicht gut und
professionell gehandhabt wurde, könnte der Rat sich sperren, und das würde kostbare Zeit vergeuden.
Auch wenn es archaisch anmutete, fanden
Aufsichtsratssitzungen noch immer unter persönlicher
Beteiligung statt. Es war viel zu leicht, Holos zu fälschen, ein computergeneriertes Abbild von jemandem zu erzeugen, der in Wirklichkeit tot war oder im Kälteschlaf lag. Deshalb war Angelica jetzt auch hier, mit völlig korrekten Vollmachten, die sie auch bei sämtlichen zuständigen Stellen zu Protokoll gegeben hatte. Nicht daß ihr das etwas ausgemacht hätte. Dies war eine aufregende Arbeit; ab und an gab es einmal eine Mandantin wie Hypatia Cade, die etwas so völlig anderes wollte, daß ihr sämtlichen vorhergehenden Aufträge dagegen wie reinste Fingerübungen erschienen.
Die Sitzung wurde eröffnet – und Angelica stand bereits auf, bevor der Vorsitzende zur normalen Tagesordnung übergehen konnte. Jetzt war der richtige Zeitpunkt. Es lag an ihr, Angelica, die Tagesordnung zu diktieren.
»Meine Herren«, sagte Angelica mit fester Stimme und
erweckte ihrer aller Aufmerksamkeit, »meine Damen. Ich
meine, Sie sollten alle Ihre Datenterminals überprüfen. Dann werden Sie feststellen, daß meine Mandantin, eine Frau
Hypatia Cade, in diesem Augenblick die Mehrheit Ihrer
Vorzugsaktien erworben hat. Von diesem Augenblick an ist Hypatia Cade die Firma Moto-Prothesen. Als ihre
Rechtsvertreterin hat sie mir aufgetragen, die normale
Tagesordnung des Aufsichtsrats für einen Augenblick
auszusetzen.«
Ein plötzlicher, schockierter Augenblick der Stille – dann ein Rascheln, als die Mitglieder des Aufsichtsrats sich von ihrer Darstellung überzeugten und feststellten, daß sie die Wahrheit gesagt hatte. Alle Augen richteten sich auf Angelica, in einigen von ihnen schimmerte Verzweiflung. Verzweifelt waren vor allem jene, die innerhalb der Gesellschaft riskante
Unternehmungen gestützt hatten und sich nun fragten, ob ihre risikoreiche Geschäftsführung sie in den Augen der neuen Mehrheitsinhaberin zu einer Belastung machte.
Ah, die Macht! Ich könnte den gesamten Rat entlassen und mit meinen eigenen Leuten besetzen, und das wißt ihr auch.
Dies waren die Augenblicke, für die Angelica lebte. Für das Gefühl, unter dem Samthandschuh eine eiserne Faust zu
besitzen.
Angelica glitt wieder in ihren Sessel und lächelte –
geschmeidig, kühl, aber auch ermutigend. »Seien Sie
unbesorgt, meine Damen und Herren. Meine Mandantin
möchte Sie als erstes wissen lassen, daß sie nicht vorhat, hier irgend etwas auf den Kopf zu stellen. Sie ist zufrieden mit dem Ertrag dieser Gesellschaft, und sie hat auch nicht vor, sich darin einzumischen, wie Sie sie führen.«
Wieder veränderten sich die Mienen um den Tisch.
Unglauben in manchen Augen,
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