Raumschiff 3 - Tia
Quarantäne gesteckt. Das ging am einfachsten, indem man euch alle drei einschläferte und euch in euren
Druckanzügen beließ, bis ihr hier ankamt. Wir wollten dich nicht erschrecken, deswegen haben wir deine Eltern gebeten, dir nicht vorher zu verraten, was wir vorhatten.«
Tia mußte erst darüber nachdenken. »Also gut«, sagte sie schließlich und versuchte freundlich zu bleiben, da sie ohnehin nichts mehr dagegen unternehmen konnte. »An Bord wäre es wahrscheinlich ziemlich langweilig geworden. Wahrscheinlich hätte es da nichts zu beobachten oder zu lesen gegeben, und irgendwann wären sie es leid gewesen, mit mir Schach zu spielen.«
Die Dame lachte. »Angesichts der Tatsache, daß du ihnen beim Schachspielen die Hosen ausgezogen hättest, ist das sehr wahrscheinlich«, meinte sie und richtete sich ein Stück auf.
Nun, da Tia wußte, daß sich hinter diesem Visier ein echter Mensch verbarg, wirkte es nicht mehr ganz so bedrohlich.
»Wir werden dich jetzt noch eine Weile in Quarantäne halten, während wir untersuchen, was dich eigentlich gebissen hat. Du wirst mich sehr häufig sehen – ich bin einer deiner beiden Ärzte. Mein Name ist Anna Jorgenson-Kepal, du kannst mich Anna nennen oder auch Doktor Anna, wenn du magst, aber ich glaube, wir brauchen nicht so förmlich zu sein. Dein zweiter Arzt ist Kennet Uhua-Sorg. Von ihm wirst du nicht sehr viel zu sehen bekommen, bevor du die Quarantäne verlassen hast, denn er ist querschnittsgelähmt und fährt Moto-Rollstuhl. So einen bekommen wir in keinen Druckanzug.«
Der Holoschirm über dem Bett erwachte flackernd zum
Leben und zeigte Kopf und Schultern eines hageren, asketisch aussehenden jungen Mannes. »Nenn mich Kenny, Tia«, sagte der junge Mann. »Ich weigere mich kategorisch, förmlich mit dir umzugehen. Es tut mir leid, daß ich dich nicht persönlich begrüßen kann, aber es braucht wahre Ewigkeiten, einen von diesen verdammten Rollstühlen zu dekontaminieren, deshalb fungiert Anna als meine Hände.«
»Das ist… dein Stuhl… das ist doch eine Art modifizierter Schale, nicht wahr?« fragte Tia neugierig, entschlossen, das Thema, wenn sie es schon aufbrachten, nicht höflich zu
meiden. »Ich kenne ein Schalenwesen, Moira, sie ist ein GehirnSchiff.«
»Ganz genau!« sagte Kenny fröhlich. »Der Arzt auf der
Halbschale, das bin ich! Ich hatte einen dämlichen Unfall, als ich Zwanzig war. Ich bin nicht wie du von irgendeinem
fremden Erreger gebissen worden.«
Tia lächelte zaghaft. Ich glaube, ich werde ihn mögen. »Hat dir eigentlich schon jemand gesagt, daß du genau wie
Amnemhet III. aussiehst?«
Seine weiten Augen wurden noch größer. »Nein – das ist wirklich neu. Ich hoffe, es ist ein Kompliment! Eine meiner Patientinnen sagte mal, daß ich wie Largo Delecron aussehe, der Synthcomstar, aber da wußte ich auch noch nicht, daß sie der Meinung war, daß Largo so aussieht, als wäre er aus einem Sklavenlager entflohen!«
»Er ist einer meiner Lieblingspharaonen«, versicherte sie ihm hastig.
»Dann will ich mal sehen, ob ich nicht die entsprechende pharaonische Majestät entwickeln kann«, erwiderte Kenny grinsend. »Das könnte mir durchaus nützen, wenn ich einigen dieser Psychos hier mal wieder etwas Verstand in den Kopf hämmern muß! Die sind schon die ganze Zeit hinter dir her, seit du hier eingeliefert wurdest.«
Wenn Tia vor Furcht hätte zittern können, hätte sie es jetzt getan. »Ich muß doch nicht mit denen sprechen, oder?« fragte sie kleinlaut. »Sie stellen mir immer so endlose dumme
Fragen!«
»Überhaupt nicht«, sagte Anna entschieden. »Ich habe zwei Doktorgrade, einen davon in Seelenklempnerei. Ich bin
durchaus qualifiziert, dich allein zu diagnostizieren.«
Als Anna ihren Abschluß in Psychiatrie erwähnte, rutschte Tias Herz ein Stückchen tiefer – hob sich aber wieder sofort, als Anna die Psychiatrie als ›Seelenklempnerei‹ bezeichnete.
Keiner der Psychos, die sie schon ihr Leben lang belästigten, hätte seinen Beruf mit dem Ausdruck ›Seelenklempnerei‹
bezeichnet.
Anna strich Tia über die Schulter. »Mach dir keine Sorgen, Tia. Ich bin der Meinung, daß du eine sehr tapfere junge Dame bist – vielleicht ein wenig zu verantwortungsbewußt, aber ansonsten völlig in Ordnung. Die Psychos verbringen viel zuviel Zeit damit, Kinder zu analysieren, aber nicht genug, um sie sich einmal richtig anzusehen oder ihnen echte
Aufmerksamkeit zu widmen.« Anna lächelte, und eine
Haarlocke rutschte
Weitere Kostenlose Bücher