Raumschiff 3 - Tia
dann erlosch der Schirm.
Einen Augenblick später verließ Anna den Raum durch eine Dekontaminationsschleuse. Sie ließ sie mit den summenden, zischenden Geräten und mit Ted zurück.
Tia schluckte den Kloß in ihrer Kehle herunter und dachte angestrengt darüber nach, was sie ihr mitgeteilt hatten.
Ihr Zustand verbesserte sich nicht etwa, er wurde vielmehr schlimmer. Sie wußten nicht, woran es lag. Das waren die Negativposten. Auf der Plusseite stand, daß mit Mum und Dad alles in Ordnung war, und die Ärzte hatten auch nicht gesagt, daß sie alle Hoffnung aufgeben solle.
Folglich sollte sie weiterhin davon ausgehen, daß sie eine wirksame Therapie finden würden.
Sie räusperte sich. »Hallo?« machte sie.
Genau, wie sie es erwartet hatte, wurde der Raum von einer KI überwacht.
»Hallo«, erwiderte sie in jener merkwürdig akzentfreien Stimme, wie sie nur eine KI hervorbringen konnte. »Was
brauchst du?«
»Ich würde mir gern ein Holo anschauen. Über Geschichte«, fügte sie nach kurzer Überlegung hinzu. »Es gibt ein Holo über Königin Hatschepsut von Ägypten. Ich glaube, es heißt Phönix des Re. Hast du das?«
Das hatte zu Hause auf der Verbotsliste gestanden; Tia wußte auch, weshalb. Es gab darin einige ziemlich heiße Szenen mit der Pharaonin und ihrem Architekten. Aber Tia war von der einzigen Frau fasziniert, die sich zur Pharaonin ernannt hatte, und sie war äußerst verärgert gewesen, als ein bißchen Sex sie daran hinderte, sich dieses Holo anzuschauen.
»Ja, darauf habe ich Zugriff«, sagte die KI nach einem kurzen Augenblick. »Möchtest du es jetzt sehen?«
Sie hatten ihre Zugriffsrechte also nicht eingeschränkt! »Ja«, antwortete sie. Und dann, begierig, die Gelegenheit zu nutzen, fügte sie hinzu: »Und danach möchte ich die Aton-Trilogie sehen, über Echnaton und die Ketzer. Also Der aufgehende Aton, Aton am Zenit und Der untergehende Aton.«
Diese Holos enthielten mehr als nur ein paar schwüle Szenen.
Tia hatte ihre Mutter sagen hören, daß einige der Theorien, die in der Trilogie darstellerisch ziemlich freizügig wiedergegeben wurden, zwar einige, anders kaum zu erklärende Funde
plausibel machten, aber in manchen Kulturen zu einem Verbot dieser Holos führen würden. Und Braddon hatte leise lachend erwidert, daß schon die Kostüme – oder ihr Mangel – das gleiche bewirken würden. Dennoch glaubte Tia, damit schon zurecht zu kommen. Und wenn es wirklich so schlimm war, würde es sie ganz gewiß von ihren Sorgen ablenken!
»Also gut«, meinte die KI freundlich. »Soll ich anfangen?«
»Ja«, antwortete sie mit einem weiteren Streicheln ihrer Wange gegen Teds weichen Pelz. »Bitte.«
Pota und Braddon beobachteten ihre Tochter mit erstarrten Mienen; Tia war überzeugt, daß sie einen ganzen Vulkan an Gefühlen verbargen. Sie atmete tief ein, dann sagte sie: »Stuhl, vorwärts, fünf Fuß«, worauf der Moto-Rollstuhl vorglitt und unmittelbar vor ihnen stehen blieb.
»Na ja, wenigstens kann ich jetzt herumkommen«, sagte sie in einem, wie sie hoffte, fröhlich klingenden Ton. »Ich war es langsam wirklich leid, immer dieselben vier Wände sehen zu müssen!«
Was immer sie haben mochte – und inzwischen hatte sie nur zu oft die Worte ›Protovirus‹ und ›dystrophische Sklerose‹
ausgesprochen gehört – , waren die Mediziner offensichtlich zu dem Schluß gekommen, daß es nicht ansteckend war. Sie hatten Pota und Braddon aus der Quarantäne entlassen und Tia in ein anderes Zimmer verlegt, dessen Tür direkt auf den Gang hinausging. Nicht daß es einen großen Unterschied gemacht hätte, doch brauchte Anne jetzt wenigstens keine
Dekontaminationsschleuse und auch keinen Druckanzug mehr zu benutzen. Und jetzt kam Kenny persönlich, um sie zu
besuchen. Aber vier weiße Wände blieben eben vier weiße Wände, und Zimmer waren schließlich doch alle in etwa
gleich.
Dennoch hatte Tia Angst, um Dinge zu bitten, die es etwas persönlicher gestaltet hätten. Sie befürchtete, daß sie, wenn sie den Raum mehr zu ihrem eigenen machte, dort für alle Zeit festhängen würde.
Ihre Taubheit und Lähmung hatten inzwischen beinahe den ganzen Körper bis auf die Gesichtsmuskulatur erfaßt. Und dort hatten sie kürzlich aufgehört. Ebenso unerklärlich, wie sie zustande gekommen waren.
Man hatte sie in einen Moto-Rollstuhl für
Querschnittgelähmte gesetzt. Er war ganz ähnlich wie Kennys, nur daß sie ihren mit einigen wenigen Befehlen und einer Reihe von
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