Raumschiff 3 - Tia
schon?« wollte Braddon wissen,
während Pota zur KI-Konsole stürzte, um das
Medizinprogramm aufzurufen, das die Erwachsenen
verwendeten.
»Seit ein paar Wochen«, sagte Tia unbestimmt. »Sokrates meinte, es wäre nichts, daß ich da herauswachsen würde. Und dann hat er so getan, als würde ich alles nur erfinden, und ich wollte nicht, daß er die Psychos auf mich hetzt. Deshalb habe ich mir gedacht, daß ich…«
In diesem Augenblick kehrte Pota zurück, ihre Lippen waren zu einer grimmigen Linie verkniffen. »Du gehst jetzt sofort ins Bett, Tia«, sagte sie mit erzwungener Leichtigkeit. »Sokrates denkt, daß du dir ein paar Nerven verklemmt hast;
wahrscheinlich ein Rückenschaden, den er nicht untersuchen kann. Deshalb legst du dich jetzt hin, während wir einen Kurier rufen, um dich abzuholen. In Ordnung?«
Braddon und Pota wechselten einen dieser Blicke, die Tia nicht deuten konnte, und ihr Mut sank. »Also gut«, sagte sie niedergeschlagen. »Ich wollte nicht so viel Schwierigkeiten machen, ehrlich nicht. Ich wollte nicht…«
Braddon nahm sie in die Arme und trug sie in ihr Zimmer.
»Denk nicht einmal im Traum daran, daß du Schwierigkeiten machst«, sagte er heftig. »Wir lieben dich, Tia. Und wir werden dafür sorgen, daß es dir so schnell wie möglich wieder besser geht.«
Er legte sie ins Bett, Ted neben ihr, und rief ein Holo auf.
»So«, sagte er und küßte sie zärtlich. »Deine Mum kommt gleich, um etwas auf diese Brandwunden zu tun. Dann werden wir unsere ganze Zeit darauf verwenden, dich zum
verzogensten kleinen Balg im ganzen bekannten Weltall zu machen! Du mußt nur hier liegen und angestrengt darüber nachdenken, wie du wieder gesund wirst. Abgemacht?«
»Klar, Dad«, erwiderte sie und brachte irgendwie ein Lächeln für ihn zustande. »Abgemacht.«
KAPITEL 2
Weil Tia nicht in Lebensgefahr schwebte, brauchte die KI-Drohne, die man losgeschickt hatte, um sie in ein Krankenhaus der Zentralwelten zu bringen, noch zwei Wochen, bis sie eintraf. Zwei lange, endlose Wochen, in denen sich Mums und Dads Mienen immer mehr verspannten und vor Angst
verzerrten – und in denen sich Tias Zustand nicht etwa verbesserte, sondern verschlimmerte.
Am Ende dieser beiden Wochen ging es ihr sehr viel
schlechter; sie hatte nicht nur jedes Gefühl in den Gliedmaßen verloren, sie konnte sie auch nicht mehr benutzen. Aus der bloßen Unbeholfenheit, die damit einsetzte, daß sie
Schwierigkeiten beim Auf-und Zuknöpfen ihrer Kleidung
hatte, war Lähmung geworden. Wenn sie nicht das Bedürfnis gehabt hätte, ihre Eltern bei Laune zu halten, hätte sie geweint.
Sie konnte nicht einmal mehr Ted festhalten.
Mum gegenüber machte sie darüber Witze, tat so, als hätte sie sich immer schon gern von oben bis unten bedienen lassen.
Sie mußte einfach Witze darüber machen; denn obwohl sie völlig entsetzt war, vertrieb der Anblick der Angst in den Augen ihrer Eltern die eigenen Befürchtungen. Sie war
entschlossen, sie nicht wissen zu lassen, wie sehr sie sich fürchtete. Sie waren bereits verängstigt genug – wenn Tia selbst jetzt auch noch den Mut verlor, könnten sie in Panik geraten.
Die Zeit kroch dahin, während sie sich ein Holo nach dem anderen anschaute und mit Braddon entlose Partien Schach spielte und sich sagte, daß im Krankenhaus alles in Ordnung kommen würde. Natürlich würde alles in Ordnung kommen.
Es gab nichts, was ein Krankenhaus der Zentralwelten nicht hätte heilen können. Das wußte doch jeder! Nur
Erbkrankheiten ließen sich nicht kurieren. Aber sie war schließlich in Ordnung gewesen, bis zu jenem Tag, an dem das Ganze angefangen hatte.
»Sokrates sagt, daß es ein paar eingeklemmte Nerven sein müssen«, wiederholte Pota zum hundertsten Mal an dem Tag, als das Schiff fällig war. »Wenn du ins Krankenhaus kommst, mußt du wirklich tapfer sein, Tia. Wahrscheinlich müssen sie operieren, und es wird auch wahrscheinlich einige Monate dauern, bis du wieder gesund bist…«
Sie bürstete Tias Haar und band es zu einem sauberen
Pferdeschwanz zusammen, wie das Mädchen es liebte. »Dann werde ich gar keinen Unterricht bekommen können, oder?«
fragte sie, um ihre Mutter mit irgend etwas Trivialem
abzulenken. Mum kommt mit der Realität und der Realzeit nicht allzugut zurecht… Dad auch nicht. »Wahrscheinlich werden sie mich in einen Gipsverband tun oder so etwas, und ich werde völlig benommen von den ganzen Schmerztabletten sein. Dann verliere ich den Anschluß,
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