Raumschiff 4 - Channa
dann gab es natürlich keinen Grund mehr, mich aufzuklären! Dann hätte er mir von deinen Plänen berichten können, was ihm gefiel, und das wäre genug gewesen. Und ich hätte mich heute nacht ruhigen Herzens in dem Wissen
schlafenlegen dürfen, daß du bei dieser schwarzherzigen Hündin von einer Schlampe eingezogen bist.«
»Rachel bint Damscus!« sagte er scharf. »Du läßt dich
gehen!«
Sie hob beide Fäuste über den Kopf und schrie: »Nicht ich bin es, die mit den Töchtern der Heiden liebäugelt, ein Akt, der von sämtlichen Schriften untersagt wird! Noch steht es Joseph an, mir davon zu berichten, was wir tun werden. Das ist deine Aufgabe, und zwar deine allein! Sind wir denn nicht Braut und Bräutigam?«
Er starrte sie schockiert an. »Nein«, sagte er in blankem Erstaunen. »Wie kommst du denn auf so etwas?«
Sie blinzelte. »Nein?«
»Nein«, wiederholte er und schüttelte den Kopf.
Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht, und er konnte das Weiße ihrer Augen um die ganze Iris erkennen. Mit einem Geräusch wie zerreißende Seide schnaufte sie durch die Nase. Sie zitterte. Sie versuchte zu sprechen, doch es kam nur ein krächzendes Geräusch hervor, bis sie schließlich mit
schneidender Stimme sagte: »Sie hat dich verführt.«
»Nein«, sagte er und schüttelte erneut den Kopf, winkte mit beiden Händen ab, ließ aber den Blick von ihr fortgleiten.
»Schon immer«, sagte sie harsch, »seit wir einander das erstemal begegnet sind, wußte ich, daß du mir gehörst. Mir!«
»Nein«, wiederholte er. »Du bist für Joseph bestimmt, der dich immer geliebt hat. Er wird dich glücklich machen, und er will dich auch haben.« Er zwang seine Stimme zur Sanftheit.
Sie ist durchgedreht, dachte er verzweifelt. Ausgerechnet jetzt!
Er hatte geglaubt, daß sie nur ein wenig mehr zur Hysterie neigte als die meisten ihrer Geschlechtsgenossinnen, doch irgend etwas hatte sie verändert; vielleicht war es das Trauma des Angriffs gewesen, vielleicht auch die massiven
Drogendosen, die sie während der Reise hatten einsetzen müssen.
Sie riß die Augen noch ein weiteres Stück auf, bis das Weiße um die Iris vollends zu sehen war. Er hatte schon von solchen Dingen gehört, sie aber nie zu Gesicht bekommen, mit einer Ausnahme, als nämlich ein uralter Einsiedler in Trance gefallen war und Prophezeiungen von sich gegeben hatte.
Ich hätte meiner Erste-Hilfe-Ausbildung größere
Aufmerksamkeit zollen müssen, dachte er wehmütig. Vielleicht hätte er dann gewußt, wie er mit ihrer Instabilität umzugehen hatte. Gleich welche Fehler sie auch haben mochte, hatte sie doch große Opfer erbracht, um ihm zu folgen. In den letzten Tagen des chaotischen Durcheinanders auf Bethel war sie unverzichtbar gewesen. Meine liebe Freundin, ich habe dich im Stich gelassen.
»Er will mich haben?« fragte sie mit demselben knurrenden Unterton. »Und du nicht?« Ihr Mund verzerrte sich, und sie biß sich auf die Lippe, als sie den Kopf von Seite zu Seite wandte und mehrmals dabei nickte. Abrupt stand sie auf und war schon aus der Tür, bevor er sich auch nur von seinem Stuhl erheben konnte.
Er fuhr sich mit beiden Händen ins Haar und riß daran.
»Simeon«, fragte er, »was habe ich getan?«
»Rachel verärgert, würde ich sagen.«
Arnos seufzte, dann stöhnte er. »Nein«, widersprach er verzweifelt, »ich habe Schlimmeres getan. Ich habe
zugelassen, daß man mir etwas ausredete, von dem ich doch wußte, daß es richtig sei. Im Innersten meines Herzens wußte ich, daß sie hätte evakuiert werden sollen, aber Joseph bat mich, sie bleiben zu lassen. Vielleicht habe ich Ihnen heute die falsche Antwort gegeben, mein Freund. Vielleicht kann ich diese Rolle doch nicht spielen, wenn ich mich so leicht dazu bewegen lasse, wider besseres Wissen zu handeln.«
»Sie haben geglaubt, daß Joseph sie unter Kontrolle halten könnte?«
»Ja. Darauf hatte ich gehofft, weil er stets in der Nähe bleiben und gut zu ihr sein würde, so daß sie sich schließlich mehr ihm als mir zuwenden sollte.«
»Keine schlechte Überlegung«, erwiderte Simeon
wahrheitsgetreu. »Sie fortzuschicken hätte ihr wahrscheinlich den letzten Rest Wirklichkeitsbezug geraubt.«
Arnos blickte unberuhigt und niedergeschlagener denn je drein. Er mochte ein gutaussehender Mann sein, aber in Sachen trübseliger Blicke besaß er durchaus ein Monopol.
»Heute haben Sie völlig richtig darauf hingewiesen, daß Sie älter sind als ich und in vielen Punkten auch weiser. Heute
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