Raumschiff 4 - Channa
irgend jemand das Pech hat, noch mehr zu brauchen. Man beißt darauf. Nicht herunterschlucken, sondern den nächststehenden Kolnari damit beatmen. Verstehen Sie, er ist zwar auch ansteckend, wenn man ihn schluckt, wirkt aber stärker bei direktem Kontakt. Wenn der Pirat Sie küssen möchte, dann lassen Sie ihn das auf jeden Fall tun.«
»Bäh!« sagte Channa und schnitt eine Grimasse.
»Ich habe die Gruppenführer angewiesen, in der Klinik zu erscheinen, um die Spender abzuholen, damit sie sie unter ihren Leuten verteilen können«, meldete Simeon.
»Erinnern Sie sie doch bitte daran«, ergänzte Chaundra, »daß jeder, der eine Kapsel benutzt, sich so schnell wie möglich in der Klinik melden soll, um sich die Schutzimpfung
verabreichen zu lassen. Davon bekommt er dann zwar auch leichte Symptome, aber sein… Opfer wird wirklich äußerst krank.«
»Symptome?« fragte Channa.
»Kopfschmerz, Übelkeit, Diarrhöe, Fieber, möglicherweise Delirium.« Ihn schauderte. »Ich muß zurück in mein Labor. Es gibt noch so viel zu tun und so wenig Zeit dafür.«
»Sie müssen erst einmal ausschlafen«, entschied Channa.
»Ab ins Bett, für mindestens sechs Stunden!«
»Das ist ein Befehl, Chaundra«, teilte Simeon ihm mit, »ab sofort sind Sie bis morgen früh ihres Dienstes enthoben.«
»Ja, natürlich.« Chaundra nickte zerstreut. »Und die
Freiwilligen«, fuhr er fort, »sollen ins Lazarett kommen, sobald die Piraten aufkreuzen. Wir können nämlich den
Ausbruch beschleunigen…«
»Marsch ins Bett!« Channa nahm ihn bei den Armen und
schüttelte ihn leicht durch, bis er erschrak und wieder zuhörte.
»Oh…« Er lächelte. »Gute Idee.« An der Tür blieb er stehen und blinzelte. »Ach ja. Joat – ich habe die junge Joat kennengelernt. Sie ist ein bißchen… reifer, als ich dachte.« Er runzelte die Stirn und sah besorgt drein. »Meinen Sie, daß es in Ordnung ist, daß die beiden soviel zusammen sind? Sie und Seld, meine ich?«
Channa blinzelte. Wenigstens war niemand so unfreundlich, irgendwelche Schauergeschichten aus Joats Leben zu erzählen, dachte sie.
»Ich glaube nicht, daß das eine Rolle spielt«, antwortete Simeon leicht erheitert. »Sie werden gut beschäftigt sein, wissen Sie, und keiner von beiden ist körperlich erwachsen.«
»Für einen richtigen Vater einer Tochter sind Sie aber ziemlich leichtfertig«, sagte Chaundra etwas pikiert.
»Na ja, ich bin ihr Vater – oder werde es sein, sobald die Formulare fertig sind. Wirklich, Chaundra, ich denke, wir können uns darauf verlassen, daß Joat sich
verantwortungsbewußt verhält. Ich vertraue ihr. Sie mag zwar ihrem eigenen Moralkodex folgen, aber darin ist sie sehr viel konsequenter als viele Erwachsene, die ich kenne. Ich mache mir deswegen keine Sorgen.«
Chaundra seufzte. »Ich wünschte, ich bekäme jedesmal einen Credit, wenn mir jemand erzählt, daß er sich keine Sorgen macht. Die beiden sind in einem labilen Alter und können sich nicht einmal selbst trauen. Herrje«, sagte er und breitete die Arme aus, »bei all diesem Druck können ja nicht einmal die Erwachsenen sich selbst vertrauen. Wie soll man das dann von diesen Kindern erwarten?«
Channa merkte, wie sie rot wurde. »Wir können das Problem nur vorhersehen, mit ihnen reden und auf das Beste hoffen.
Wenn sie es tun wollen«, zu ihrer Überraschung konnte sie sich nicht dazu zwingen, etwas deutlicher zu werden, »werden sie ohnehin eine Zeit und einen Ort dafür finden, ohne daß wir eingreifen können. Also sollten wir uns auch nicht darin aufreiben, uns deswegen zu sorgen.« Ein völlig neuer Problemkomplex,
dachte sie. Den Schaden
wiedergutzumachen, den Joats psychisch-sexuelle
Entwicklung genommen hatte, würde wahrscheinlich viele Jahre erfordern. Im Augenblick brauchte das Mädchen Seld nur als Freund, nicht als Bettpartner. Ihr Freund war er ganz bestimmt, aber… Auch Channa erinnerte sich daran, wie
Jungen in diesem Alter waren. Die Gefahr ist viel größer, daß sie ihm den Arm bricht. Aber sie braucht nun einmal einen Freund. Noch etwas, um schlaflos im Bett zu liegen und darüber zu grübeln. Oder hatte irgend jemand Joat von Selds medizinischen Problemen erzählt? Seld hatte ein Recht darauf, damit umzugehen, wenn es ihm richtig erschien.
»He!« warf Simeon ein. »Juhuuu! Channa! Chaundra! Beide müde, wie? Nach etwas Schlaf sieht alles schon viel leichter aus. Also ab ins Bett. Wir kümmern uns um die Kapseln und organisieren die Freiwilligen. Kein
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