Raumschiff 4 - Channa
fleckiges Holzkohlengrau. Im matten,
schwachen Glühen des Lichtstabs schwebte ihr Kopf darüber.
»Geh weg, Joat«, antwortete die Frau mit stumpfer Stimme.
Unter den Selbsthaftverbänden wirkte ihr Gesicht alt. »Ich brauche kein Mitleid mehr. Laß mich allein.«
»Großartig, denn Mitleid würde ich dir auch nicht geben«, antwortete Joat. Sie schob ihr Gesicht dichter an Patsys, und ihre eigenen Augen hatten dieselbe flache Ausdruckslosigkeit.
»Ich will dir etwas über mich erzählen.« In nüchternem, sachlichen Ton erklärte sie ihr alles über ihren Vater, ihren Onkel und den Kapitän.
»Ich weiß also, was das heißt, Miss Coburn«, fuhr sie fort.
»Vergiß, was alle anderen gesagt haben. Die haben doch alle keine Ahnung. Aber Joat, die weiß genau, wie du dich fühlst.
Und wie ich schon sagte, im Augenblick brauchst du auch kein Mitleid. Ich weiß aber, was du statt dessen brauchst.«
Langsam stemmte Patsy sich auf den Ellenbogen. »Und was soll das sein?«
Stumm griff Joat hinter sich und öffnete ihren Rucksack. Ihre handschuhbewährte Hand holte daraus Patsy Sue Coburns
Halfter und die Bogenpistole.
»Genugtuung«, wisperte Joat ruhig. »Und das geht so…«
Der Lagerraum für Medikamente und medizinisches Zubehör besaß seine eigene Überwachungsunterschlaufe. Das machte ihn zu einem guten Ort für das geheime Treffen.
Außerdem war er eiskalt, kahl und überfüllt. Die Wände bestanden aus grauen, mit Leuchtfarbe in ihren Umrissen markierten Metallschränken.
Sehr angemessen, wenn man den Zustand unserer Moral bedenkt, dachte Channa.
»Es sind jetzt zweihundertsiebenundfünfzig Leute an dem Virus erkrankt«, sagte Chaundra. »Die Symptome sind zwar spektakulär, aber nicht lebensbedrohlich, solange sie an die Maschinerie angeschlossen bleiben. Außerdem habe ich
vierundsechzig Patienten wegen Traumen und verschiedenster Verletzungen behandelt. Bisher keine Todesfälle. Ein oder zwei befinden sich zwar in einem kritischen Zustand, dürften sich aber wieder erholen. Eingerechnet sind dabei auch einige meiner Sanitätshelfer, die von den Kolnari angegriffen wurden, als sie herkamen, um unsere ›Kranken‹ zu überprüfen. Sie scheinen den Anblick leicht ekelerregend zu finden, aber auch… aufregend, beides zur selben Zeit. Einige der Patienten wurden angegriffen.«
Soviel zur Abschreckungswirkung des Virus, dachte Channa.
»Patsy?« fragte sie laut. Sie ist meine Freundin. Patsy hatte weder mit ihr noch sonst jemandem reden wollen, was
verständlich war. Aber ich will wissen, wie es ihr geht.
»Sie… keine Knochenbrüche bis auf den Fuß. Den habe ich innerlich geschient…« Er hatte die Knochen also in einer synthetischen Schiene zusammengeleimt, die stärker war als das ursprüngliche Material, so daß sie eine Form zum
Verheilen hatten. »… Blutverlust ausgeglichen und die
Weichgewebeverletzungen plastiziert. Miss Coburn ist
bewegungsfähig, wenn sie auch einiges… körperliches…
Unbehagen empfindet. Mit den üblichen
Wachstumsstimulatoren sollte die volle Genesung nicht länger als eine Woche brauchen.«
Er fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen. »Was ihren geistigen Zustand angeht, kann ich allerdings nicht viel sagen. Ich befürchte Katatonie. Ich habe die üblichen
Psychotropika verabreicht, aber der Geist besteht eben doch aus mehr als dem Gehirn und seiner Chemie.«
Channa nickte. »Sonst noch etwas?«
»Ja. Ich verfüge jetzt über… reichlich Gewebeproben der Kolnari. Es gibt Dinge, die wir unter vier Augen besprechen sollten.«
Arnos musterte die Gesichter auf dem Schirm. »Fahren Sie fort wie geplant«, sagte er. »Der Feind zwingt Sie zur Arbeit.
Geben Sie sich dabei so dumm, wie Sie sich trauen. Begehen Sie so viele Fehler, wie Sie sich trauen. Vor allem aber sorgen Sie dafür, daß soviel wie möglich an Material nur halb zusammengebaut bleibt.«
»Wann werden wir denn gegen die kämpfen?« platzte es aus jemandem heraus. »Sie und Simeon haben von einem
ordentlichen Kampf gesprochen, von Cochise und den Viet Gong…« Cong, berichtigte Simeon stumm. »… aber bisher halten wir bloß den Arsch hin!«
»Wir haben den Virus«, warf Simeon ein. »Der funktioniert, sie stecken sich an. Ich habe mit psychologischen Operationen begonnen. Was aber am wichtigsten ist, ich habe ihre Sprache dechiffriert.« Das löste ein Geraune aus. »Sie hat nicht allzuviel Ähnlichkeit mit den Sprachen in den
Vermessungsdateien
– beides
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