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Raumschiff der Generationen

Raumschiff der Generationen

Titel: Raumschiff der Generationen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Fischer
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verwunderte sich Marc, »warum haben Sie sie dann nicht längst verbreitet? Ich vermute, Sie verfügen über ein entsprechendes Nachrichtensystem.«
    »Sie vermuten richtig, aber Sie ziehen die falschen Schlüsse. Eine Verbreitung dieser Geschichte von uns aus hätte ein sofortiges Dementi nach sich gezogen, und wir wären von offizieller Seite als Phantasten hingestellt worden. Nein, wir mußten warten, bis Sie zu uns kamen. Und daß Sie kommen würden, stand für uns außer Frage …« Er machte eine Kunstpause, und als die erwartete Gegenfrage ausblieb, schloß er: »Keiner der Damen und Herren Senatoren, überhaupt kein Erdgeborener hat auch nur das geringste Interesse daran, daß irgend etwas geschieht oder verlautbar wird, das dazu angetan sein könnte, die Unruhe im SCHIFF noch zu verstärken. Sie konnten Ihnen also gar nicht die Erlaubnis geben, Ihre Geschichte zu veröffentlichen. Auch Hella Lundqvist nicht – diese Handlangerin des Senats. Nein! Schweigen Sie!«
    Übergangslos hatte sich das Gebaren des Mannes verändert. Aus dem gemütlichen Plauderer war urplötzlich der energiegeladene, befehlsgewohnte Diktator geworden, der keinen Widerspruch duldete: Clodwig Carezzini, der Demagoge.
    »… auch Sie waren nichts als ein Handlanger. Jahrelang haben Sie nur immer das geschrieben, was Hella von Ihnen verlangt hat, und Hella, Chefredakteurin der ›Informellen Information‹ …«, sein Tonfall wurde verächtlich, »redigierte, wie man es ihr von oben vorschrieb! Was glauben Sie, Hellberg, wenn morgens die Informelle Information aus den Schlitzen der STV-Geräte fiel, was sich die Menschen im SCHIFF beim Lesen Ihrer sogenannten Feuilletons gedacht haben?«
    »Diese ›sogenannten‹ Feuilletons«, verteidigte sich Marc, der verdrossen merkte, in welch schwache Position er geriet, »sollten nichts weiter sein als eine Ergänzung zu den offiziellen STV-Nachrichten, ein Kontrast, Entspannung …«
    »Entspannung …?« höhnte Carezzini, »wovon? Etwa von der Freizeit, von den Vernügungszentren …? Wer eine Entspannung vor dem Schirm sucht, der steckt eine Konserve in den Schlitz, davon gibt’s Tausende im Archiv, und die gehen den Leuten anders unter die Haut als Ihre ›Erinnerungen an einen grünen Planeten‹ oder … ›Mensch und Maschine‹! Was sollen Leute wie wir, was soll ein Schiffgeborener damit anfangen? He?« Die letzten Worte Carezzinis troffen nur so von Sarkasmus und trieben Marc die Röte der Wut in die Wangen. Aber es war eine ohnmächtige Wut; denn – und das war das Schlimmste – der Mann hatte recht. Trotzdem sagte Marc:
    »Es gibt nicht nur Schiffgeborene hier an Bord. Es gibt auch noch genügend Menschen, die von der ERDE stammen …«
    »Aber nicht mehr lange! Wir …«, er schlug sich an die Brust, »… wir, Hellberg, wir, die Schiffgeborenen, sind das Leben, die Zukunft! Das SCHIFF trägt uns, nur uns, in diese Zukunft. Wenn wir am Ziel angelangt sind, werden noch einige der Alten am Leben sein. Wir werden für sie sorgen. Wir werden auch jetzt für sie sorgen. Aber das Steuer, die Macht, müssen sie uns überlassen! Und zwar jetzt! «
    Marc hatte plötzlich das Gefühl, aufspringen und weglaufen zu müssen. Zu groß, zu heftig war der Widerstreit der Gefühle in seinem Innern. Mühsam versuchte er, Ordnung in seine Gedanken zu bringen.
    Carezzini war ein Demagoge. Zynisch, skrupellos, intelligent. Zielstrebig und ausdauernd würde er das einmal gesetzte Ziel verfolgen, bis er es erreicht hatte. Er würde jedes Mittel einsetzen, um dieses Ziel zu erreichen. Auch Gewalt!
    All dies stieß Marc ab, um so mehr, als auch die Persönlichkeit dieses Mannes, seine psychisch-physische Erscheinung seinem eigenen Wesen konträr entgegenstand. Auf der anderen Seite wurde diese Tatsache dadurch gemildert, daß gewisse Eigenschaften Carezzinis, beispielsweise gerade seine unbedingte Konsequenz im Verfolgen seiner Ziele, Qualitäten waren, die Marc an sich selbst am meisten vermißte. Letzteres mochte eine Erkenntnis sein, die ihm rational kaum bewußt, deshalb jedoch nicht minder wirksam war.
    Welches Resultat diese gedanklichen und gefühlsmäßigen Auseinandersetzungen auch ergaben, die sich teils auf bewußter, teils auf unbewußter Ebene abspielten, die Entscheidung, die er schließlich traf, kam vermutlich in einer Region zustande, in der Motive und Antriebe siedelten, die mit der ungelösten Frage des Todes seiner Eltern zusammenhingen.
    Der bisherige Weg hatte ihn diesem Problem in

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