Raumschiff der Generationen
keiner Weise nähergebracht. Zwangsläufig mußte er einen anderen einschlagen. Daß er über diesen Carezzini führte, war nicht eben angenehm. Leider gab es im Augenblick nur diese Alternative.
»Ich bin hierhergekommen«, sagte er schließlich, »weil ich keine Feuilletons mehr schreiben will. Ich will kritische Artikel schreiben, politische, wenn Sie es so nennen wollen. Aber ich will sie so schreiben, wie ich es will, und werde mir von niemandem da hineinreden lassen, auch von Ihnen nicht.«
Carezzinis Augen bohrten sich einen Augenblick lang in die seinen, dann entspannten sich seine Züge.
»Sie können schreiben, was Sie wollen, Hellberg, wenn es nur nichts gegen uns ist. Von nun an …«
Die Tür glitt auf, und in der Öffnung stand eine junge Frau. Sie warf einen Blick auf die beiden Männer und kam mit ein paar raschen Schritten zu ihnen herüber.
»Rhea, das ist Marc Hellberg. Er wird für uns schreiben.«
Das Mädchen nickte kurz: »Rhea van Sijn.«
»Ihre neue Chefin …« Carezzini grinste, als er Marcs Verwunderung sah. »Sie sehen, die Redaktion ist bereits in unseren Händen. Von nun an wird der Hochschulverlag das drucken, was wir für richtig halten. Rhea wird dafür sorgen.«
»Sie können doch nicht so mir nichts dir nichts aus einem Organ der Akademie eine parteipolitische Schrift machen!«
»Selbstverständlich behält der Hochschulverlag nach außen hin seine ursprüngliche Funktion«, erwiderte Rhea van Sijn. Ihr glattes Gesicht zeigte keinerlei Regung. »Die Schriften der Dozenten und Assistenten, die wissenschaftlichen Beiträge, Hausnachrichten, Programmänderungen, Zeitpläne und so weiter, das alles läuft weiter wie bisher. Nur das, was bislang so am Rande mitlief, das sogenannte Feuilleton, das wird sich ändern. Wir werden es abwandeln, es politisieren …«
»Es ist unsere Chance«, dröhnte Carezzini dazwischen. »Alle Medien werden vom Senat kontrolliert und – manipuliert. Die Menschen im SCHIFF hören und sehen allein das, was die Alten ihnen erlauben. Die Wahrheit, das, was wirklich geschieht, hinter ihrem Rücken, irgendwo in den unbekannten Regionen des SCHIFFES oder auch draußen im Weltraum, das erfahren die Menschen nicht. Aber wir werden es herausfinden, wir werden die Menschen darauf stoßen, ihnen die Augen öffnen, damit sie endlich erkennen, was mit ihnen getrieben wird!«
Carezzini hatte sich wieder in Wut geredet. Dann war da wieder die ruhige, eiskalte Stimme der Frau:
»Als erstes werden wir den Namen der Schrift ändern. Der alte Titel ›Akademische Nachrichten‹ entspricht nicht dem neuen Inhalt. Der neue Titel heißt: … ›das schiff‹ …«, sie schwieg einen Augenblick. »… ›das schiff‹, das vielgestaltige Symbol, in dem sich für jeden von uns so vieles verkörpert: Das Vorwärtsstreben des Menschen einem Ziel entgegen – der Fortschritt schlechthin –, Welt, Dasein, Kosmos oder – Gott …« Das letzte kam stockend und fast flüsternd.
Die beiden Männer starrten das Mädchen an, überrumpelt weniger vielleicht von der scheinbar sinnlosen Plazierung eines metaphysischen Begriffs an dieser Stelle als vielmehr durch die Art und Weise, in der dies geschah. Diese ließ nämlich keinen Zweifel daran, daß Rhea van Sijn keineswegs das war, was sie zu sein vorgab: eine gefühllose Intelligenzbestie, die nichts anderem als ihrer Ideologie frönte.
»… also, Hellberg, jetzt wissen Sie, woran Sie sind«, sagte Carezzini. »Schreiben Sie jetzt erst einmal Ihr Erlebnis. Wann sehen wir uns wieder? Morgen früh um acht? – Gut!« Er stand auf und reichte Marc seine dicke, armreifgeschmückte Hand.
Als Marc hinausging, hastete ein junger Mann an ihm vorbei, verschwand hinter der Tür des Sekretariats. Er sah erregt aus. »Chef, ich …« Die sich schließende Tür verschluckte den Rest seiner Worte.
Draußen drehte sich Marc noch einmal um und betrachtete die leuchtende Schrift über dem Eingang zur einzigen Bildungsstätte des SCHIFFES. AKADEMIE stand da schlicht in rotleuchtenden Versalien.
Knapp hundert Quadratmeter umfaßte diese Anlage, die die Alten »Universität« nannten. Hundert Quadratmeter – ein Büro, genannt Sekretariat, ein Projektionsraum mit Bildwand, eine Elektronik, ein Programmierungsraum mit Trennischen für die Programmierer und Dozenten – sofern sie nicht von ihrer Wohnzelle oder irgendeinem Labor aus den Unterricht leiteten –, ein Konferenzzimmer, eine winzige Redaktion und die Robotdruckerei.
Hier würde
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