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Raumstation Erde

Raumstation Erde

Titel: Raumstation Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clifford D. Simak
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weiter, während die Fragen in seinem Gehirn hämmerten, diese endlose, riesige Flut von Fragen, auf die es keine Antworten gab. Auch das stimmte nicht, dachte er. Antworten gab es, aber viel zu viele.
    Vielleicht kamen Mary und David und alle anderen heute nacht zu Besuch, und er konnte seine Probleme mit ihnen besprechen - aber plötzlich besann er sich.
    Sie würden nicht erscheinen. Weder Mary noch David noch irgendeiner der anderen. Sie waren viele Jahre lang zu ihm gekommen, aber jetzt nicht mehr, denn der Zauber war getrübt, die Illusion zerbrochen, und er war allein.
    Wie er es immer gewesen war, sagte er sich voll Bitterkeit. Alles war Illusion gewesen, ohne eine Spur von Wirklichkeit. Jahrelang hatte er sich belogen - eifrig und bereitwillig belegen, um die Ecke neben dem Kamin mit den Geschöpfen seiner Einbildung zu bevölkern. Unterstützt von einer fremdartigen Technik, getrieben von seiner Einsamkeit, seinem Wunsch nach menschlicher Gesellschaft, hatte er sie in sein Dasein gerufen, das alle Sinne, bis auf den der Berührung, zu täuschen vermochte.
    Das aber auch gegen alle Gerechtigkeit war.
    Halbwesen, dachte er. Arme, bedauernswerte Halbwesen, weder den Schatten noch der Welt zugehörig.
    Zu menschlich für die Schatten. Zu schattenhaft für die Erde.
    Mary, wenn ich es nur geahnt hätte - ich hätte es nie getan. Ich hätte mich mit der Einsamkeit abgefunden.
    Aber jetzt konnte er nichts mehr gutmachen.
    Was ist mit mir los, fragte er sich.
    Was ist mit mir geschehen?
    Was geht vor?
    Er konnte nicht einmal mehr richtig denken. Er hatte sich vorgenommen, in der Station zu bleiben, um dem Mob zu entgehen, falls er erschien - aber das ging gar nicht, denn kurz nach Einbruch der Dunkelheit würde Lewis die Leiche des Hazers zurückbringen.
    Erschien der Mob zur gleichen Zeit, so konnte sich eine Katastrophe anbahnen.
    Er blieb unentschlossen stehen.
    Wenn er Lewis auf die Gefahr hinwies, brachte er vielleicht die Leiche nicht zurück. Aber er mußte sie bringen. Bevor die Nacht vergangen war, mußte der Hazer wieder in seinem Grab liegen.
    Er entschied, daß er das Risiko auf sich nehmen mußte.
    Vielleicht kam der Mob nicht. Und wenn er erschien, mußte er irgendwie mit ihm fertig werden.
    Ihm würde schon etwas einfallen, sagte er sich. Es mußte ja sein.

27
     
     
    Die Station war so still wie vorhin, als er sie verlassen hatte. Keine Nachrichten waren da, die Anlagen blieben stumm.
    Enoch legte das Gewehr auf den Schreibtisch, und warf den Stapel Zeitungen neben die Waffe. Er zog die Jacke aus und hängte sie über die Stuhllehne.
    Er mußte trotzdem Zeitungen lesen, nicht nur die heutigen, mußte das Tagebuch weiterführen, was viel Zeit erfordern würde. Er hatte alle Ereignisse und Einzelheiten anzuführen, dazu seine Reaktionen und Gedanken. So hatte er es immer gehalten, und so mußte es bleiben. Er hatte es immer tun können, weil er sich eine kleine Nische geschaffen hatte, weder von der Erde noch von der Galaxis, sondern in dem verschwommenen Zustand, den man Existenz nennen könnte, und er hatte im Gefüge dieser kleinen Nische gearbeitet wie ein Mönch des Mittelalters in seiner Zelle. Er war nur Beobachter, der nicht mit Beobachtung allein zufrieden gewesen war, sondern sich bemüht hatte, tiefer zu sehen, trotzdem aber ein Beobachter, den die Vorgänge nicht persönlich betrafen. In den letzten beiden Tagen jedoch hatte er diesen Status verloren. Erde und Milchstraße zugleich waren auf ihn eingedrungen, seine Nische war verschwunden, und er mußte sich persönlich festlegen. Er hatte seinen objektiven Standpunkt verloren und könne die korrekte und kühl-sachliche Behandlung seiner Themen nicht beibehalten.
    Er ging zu den Regalen und zog den derzeitigen Band heraus, blätterte, um die Seite zu finden, wo er die letzten Eintragungen gemacht hatte. Nur noch ein paar leere Seiten blieben noch, vielleicht nicht einmal genug für die Ereignisse, die er zu beschreiben hatte.
    Er stand da, das Tagebuch in der Hand, und starrte die Seite an, wo er vorvorgestern die Niederschrift beendet hatte. Erst vorvorgestern und schon ein uralter Text; er wirkte schon vergilbt. Sehr passend, dachte er, sie war in einem anderen Zeitalter abgefaßt worden. Die letzte Eintragung, bevor die Welt über ihm zusammengestürzt war.
    Und was hatte es für einen Sinn, weiterzuschreiben? fragte er sich. Er hatte alles niedergelegt, alles, was von Wichtigkeit sein mochte. Die Station würde geschlossen und sein

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