Raumzeit - Provokation der Schoepfung
theoretische Physik, fest.
Mit seiner Ablehnung der Philosophen steht Weinberg nicht alleine da. Der Redakteur beim »Scientific American«, George Musser, zitiert den Physiker Max Tegmark von der Universität von Pennsylvanien folgendermaßen: »Ehrlich gesagt, ich glaube, die meisten meiner Kollegen haben Angst, mit Philosophen zu reden – als würden sie beim Verlassen eines Pornokinos erwischt.« Und weiter schreibt Musser im »Spektrum der Wissenschaft«: »Den meisten Physikern kommt der Rat von Philosophen eher komisch vor. Auf Philosophie lassen sie sich höchstens zu später Stunde nach dem dritten Bier ein. Sogar die, die ernsthaft philosophische Bücher gelesen haben, bezweifeln meist deren Nutzen.«
Und dennoch: Es waren die Philosophen, die eine bedeutende Rolle bei der wissenschaftlichen Revolution zu Beginn des 20. Jahrhunderts gespielt haben. Die Quantenmechanik und die Relativitätstheorie sind durch die Physiker-Philosophen zu einer beherrschenden Modellvorstellung geworden. Raum, Zeit und Gravitation stellen Physiker und Kosmologen bis heute vor eine große Herausforderung. Sie sind eine »Provokation der Schöpfung«, bemerkte kürzlich ein Kosmologe. Aber Carlo Rovelli von der Universität Aix-Marseille bricht für die Philosophen eine Lanze, wenn er feststellt: »Die Beiträge der Philosophen zu einem neuen Verständnis von Raum und Zeit werden für die Quantengravitation sehr wichtig sein.«
Ein großes Problem stellt der widersprüchliche Aspekt der Zeitasymmetrie dar. Der Zeitpfeil zeigt von der Vergangenheit in die Zukunft und nicht umgekehrt. »Panta rhei« – alles fließt, erkannten schon die alten Griechen.
Wenn ein Ei herunterfällt und zerbricht, können wir nicht erwarten, dass es sich wieder zusammensetzt, wie bei einem Film, der rückwärts gespult wird. Eiswürfel im Glas schmelzen und werden sich nicht in einer Umkehr wieder zu Eiswürfeln verdichten. Unser Universum begann geordnet, symmetrisch, mit niedriger Entropie und ist heute ungeordneter und wird in der Zukunft noch ungeordneter sein, das heißt, die Entropie wird zunehmen. Wir haben es also hier mit einer Asymmetrie von Vergangenheit und Zukunft zu tun.
Die Zunahme der Entropie ergibt sich aus dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, eine Formel, die der österreichische Physiker Ludwig Boltzmann aufstellte. Nach Boltzmann lässt sich die künftige Zunahme der Entropie festlegen, wenn ihr Wert in der Vergangenheit niedrig war. Im Prinzip formulierte er eine Wahrscheinlichkeitstheorie. Um die Asymmetrie des Zeitpfeils zu erklären, berufen sich die Physiker gerne auf den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Das heißt, dass das Maß der Unordnung in einem System mit der Zeit zunimmt.
Allerdings muss hier auch festgestellt werden, dass die Asymmetrie der Zeit auf submikroskopischer Ebene ihre Bedeutung verliert.
Die Entropie kann also den Zeitpfeil nicht befriedigend erklären. Sollte sich unser Universum eines Tages in einem Big Crunch wieder zusammenziehen, das heißt, der Zeitpfeil zu einer erneuten Singularität weisen und damit auch den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik umkehren, würde die Entropieformel sozusagen auf den Kopf gestellt werden.
Der Physiker Rovelli und sein britischer Kollege Julian Barbour behaupten in ihrem relationistischen Ansatz: »Die Zeit existiert nicht und Veränderungen beruhen auf Illusion.« Das Phänomen Zeit als rein subjektive Wahrnehmung unseres Bewusstseins. Und noch einmal: Unser Bewusstsein, unsere Wahrnehmung und unsere Ich-Identität sind aus verdichteter RaumZeit entstanden.
Die String-Wissenschaftler vertreten den sogenannten Substantialismus und sind der Ansicht, dass Raum und Zeit unabhängig von Sternen, Galaxien und anderer Materie existieren. Dieser Ansatz kommt meiner Überzeugung eigentlich am nächsten. Die RaumZeit mit ihrer Gravitation stellt für mich, unabhängig von Masse, ein dynamisches, energetisches System dar, inklusive unseres Bewusstseins.
Die fundamentalen Naturkonstanten ermöglichen nach Weinberg, zumindest in unserem Bereich des Universums, Leben und intelligente Zivilisation. Wir können fragen und hinterfragen. Aber sind diese Naturkonstanten beständig oder variabel? Sind sie immer gleich oder können sie sich verändern? Waren sie früher anders als heute?
Die Naturkonstanten sind für uns die fundamentalsten Kräfte unseres Universums: die Schwerkraft, die Lichtgeschwindigkeit, die elektroschwache Kraft und die Kernkraft. Sie
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