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Raus aus dem Schneckenhaus

Raus aus dem Schneckenhaus

Titel: Raus aus dem Schneckenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Morschitzky , Thomas Hartl
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hat durch die prägenden Erfahrungen, die dabei gemacht wurden, großen Einfluss auf die soziale Kontaktfähigkeit. Im Erwachsenenalter müssen Frauen und Männer sich durch Heirat, Kindererziehung, Scheidung, berufliche und geografische Veränderungen, Übernahme von Leitungsfunktionen jeweils in neue Rollen einfinden. Dabei ist immer wieder die Fähigkeit zum Aufbau neuer sozialer Kontakte gefordert.
    Die erhöhten sozialen Anforderungen an Jugendliche sind wohl einer der Hauptgründe dafür, warum soziale Angststörungen meist bereits im Jugendalter auftreten, also bereits früher als andere Angststörungen. Doch auch Krisen in der Lebensmitte und deprimierende Erfahrungen in der Phase des Alterns können spätere Auslöser für soziale Ängste sein.

Soziokulturelle Faktoren: die Macht der Gesellschaft
    Gesellschaftliche Faktoren, die die Rahmenbedingungen für das Leben des einzelnen Menschen darstellen, können ebenfalls die Entwicklung einer sozialen Phobie und ihrer besonderen Ausprägungen begünstigen. Es geht dabei um die Art der Erziehung von Mädchen und Jungen sowie um die Rollen von Mann und Frau, aber auch um kulturelle Normen ganz allgemein.
Der Zwang der geschlechtsspezifischen Sozialisation: Männer müssen »stark« sein, Frauen »nett«
    Der Einfluss des Geschlechts auf die Entwicklung von sozialen Ängsten und Phobien ist laut Forschung geringer anzusetzen, als oft gedacht wird. Traditionellerweise dürfen Mädchen eher scheu und sozial ängstlicher sein als Jungen, die stark und selbstbewusst sein sollen. Männliche Jugendliche gelten, anders als weibliche, eher als schwach, wenn sie weinen und Gefühle zeigen. Der Druck auf junge Männer, keinesfalls schüchtern und sozial gehemmt sein zu dürfen, wirkt sich darin aus, dass sie in sozialen Situationen stärker zu Alkohol greifen, um »lockerer« zu werden, als Frauen. Beim Kennenlernen haben Männer aufgrund des althergebrachten Rollenklischees nach wie vor mehr Stress als Frauen, eine Person des anderen Geschlechts anzusprechen.
    In der westlichen Gesellschaft beziehen Männer ihr Selbstwertgefühl eher aus individueller Leistung und einem unabhängigen Selbstkonzept, Frauen dagegen mehr aus sozialem Eingebundensein und einem beziehungsorientierten Selbstkonzept. Eltern fühlen sich oft stärker verpflichtet, Söhne in Richtung mehr Selbstbewusstsein und Autonomie zu erziehen, als Töchter. Gesellschaftliche Veränderungen haben jedoch dazu beigetragen, dass auch die Töchter heute mehr als früher in ihrer sozialen Kompetenz und Durchsetzungsfähigkeit gefördert werden. Es gilt nicht mehr als weibliche Klugheit, immer ausgleichend zu wirken und sich nachgiebig zu verhalten. In zunehmendem Maße geraten heute auch Frauen unter Druck, keinesfalls schüchtern, sondern möglichst selbstbewusst und kompetent aufzutreten, vor allem um sich auf dem Arbeitsmarkt besser durchsetzen zu können.
Der Druck kultureller Normen: soziale Anpassung oder »Out-Sein«
    Ungeschriebene Gesetze, ausdrücklich verordnete Rollenvorschriften und typische Wertvorstellungen bestimmen das gesellschaftliche Verhalten. Verstöße dagegen werden je nach Kultur unterschiedlich geahndet. Jedes Mitglied der Gesellschaft achtet darauf, nicht völlig aus dem Rahmen zu fallen, um nicht sozial »out« zu sein. Aus der jeweiligen Bezugsgruppe ausgestoßen und ohne Unterstützung seitens der Umwelt zu sein, kam zumindest früher dem Tode gleich. Soziale Anpassung, die bis zu einem gewissen Grad vorgenommen wird, bei gleichzeitiger Wahrung der Individualität, ist auch heute noch eine notwendige Überlebensstrategie. Scham und Verlegenheit sind typische emotionale Reaktionen auf reale oder vermeintliche Rollenverstöße, ohne dass bereits von außen eine Sanktion drohen muss.
    Sozial ängstliche Menschen orientieren sich stärker als andere an den Normen und Regeln der jeweiligen Kultur und Subkultur, um nicht unangenehm aufzufallen. Sie sind stets bemüht, das »richtige« Verhalten zu zeigen, auch wenn dieses gesellschaftlich oft gar nicht eindeutig definiert ist, und stellen die in jeder Gesellschaft mögliche individuelle Gestaltung des eigenen Lebens hinter der sozialen Anpassung zurück. Kleine Abweichungen von allgemein anerkannten Normen und geringfügige Unsicherheiten in Bezug auf das passende Sozialverhalten lösen bereits große Ängste vor Kritik und Ablehnung aus, weil sie das Risiko bergen, unangenehm im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Das Ziel

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