Raus aus dem Schneckenhaus
wissen,
man muss es auch anwenden;
es ist nicht genug zu wollen,
man muss es auch tun.
JOHANN WOLFGANG VON GOETHE
Die reale, direkte Konfrontation mit Angst machenden Situationen stellt den »Königsweg« der Angstbewältigung dar. Es gibt keinen anderen Weg: Soziale Ängste können Sie nur dadurch überwinden, dass Sie bewusst jene Situationen aufsuchen, die Sie fürchten. Im Umgang mit anderen Menschen machen Sie neue Erfahrungen, die zu anderen Sichtweisen und Verhaltensmöglichkeiten führen. Häufig lassen sich Ihre Ängste – z. B. vor negativer Bewertung – nicht allein durch den Versuch verringern, Ihre Denkmuster zu ändern. Dann sind Sie darauf angewiesen, durch neue Verhaltensweisen neue Erfahrungen zu machen, um auf diesem Weg zu neuen Sichtweisen und anderen Einstellungen zu gelangen.
Verhaltensexperimente: Wagen Sie etwas Neues
Sind Sie bereit, in sozialen Situationen neue Dinge auszuprobieren, obwohl Sie sich etwas davor fürchten? Es geht nicht darum, keine Angst zu haben. Sie wissen es schon: Durch Vermeidung haben sich Ihre sozialen Ängste verschlimmert, egal wie diese ursprünglich entstanden sind. Angst können Sie nur überwinden, indem Sie sich der Angst stellen, anstatt darauf zu warten, dass sie verschwindet, bevor Sie etwas tun. Wenn Sie sich in bislang gefürchtete Situationen begeben, ohne in ein Vermeidungsverhalten zu verfallen (der Fachausdruck ist Konfrontationstherapie oder Exposition ), können Sie neue Erfahrungen machen, die Ihren negativen Erwartungen widersprechen. Erst wenn Sie sich sozialen Situationen wieder regelmäßig stellen, werden Sie erkennen, wie sehr Sie durch Ihr Sicherheitsverhalten gesteuert waren.
Das vordergründige Ziel einer ausreichend langen Konfrontation mit sozialen Situationen ist zwar die Angstreduktion, letztlich geht es jedoch um die Erfahrung, dass Sie Ihre Wünsche und sozialen Bedürfnisse verwirklichen können. Bei einer Konfrontationstherapie wird Angst nicht einfach nur provoziert, um die Erfahrung des Angstabfalls zu machen, sie soll vielmehr als tolerierbarer Zustand auf dem Weg hin zu Ihren Zielen erlebt werden. Das Ziel der Experimente ist nicht, dass Sie in sozialen Situationen keinerlei Angst mehr haben, sondern es geht darum, mehr Vertrauen in sich selbst und gegenüber anderen Menschen zu gewinnen. Schließen Sie Frieden mit Ihrer Angst, wenn sie beim Experimentieren und Üben aufkommt, und verzichten Sie auf jeden Kampf gegen sie. Lassen Sie sich von folgendem inneren Dialog leiten: »Da bist du wieder, meine Angst. Du darfst mich begleiten wie mein Schatten, aber ich bestimme den Weg, denn ich möchte künftig mehr vom Leben haben als bisher.«
Wir raten Ihnen bei Ihrer persönlichen Konfrontationstherapie zu folgendem Vorgehen, das sich in verschiedenen Studien als sehr wirksam erwiesen hat. Erstellen Sie eine Liste Ihrer sozialen Ängste, sortieren Sie sie nach dem Ausmaß Ihrer Belastung, und stellen Sie sich sukzessive, mit steigendem Schwierigkeitsgrad, den jeweiligen Situationen. Langsames Vorgehen führt oft schneller zum Erfolg, weil zu große Schritte deprimierende Rückschläge hervorrufen können. Wenn die Anforderungen geringer sind, ermutigen Anfangserfolge Sie zu weiteren Fortschritten. Es gilt das Motto: »Nichts macht so erfolgreich wie der Erfolg.«
Wir empfehlen Ihnen deshalb, sich zu Beginn Ihrer persönlichen Konfrontationstherapie Situationen zu stellen, die ein leichteres bis maximal mittleres Ausmaß an Angst auslösen, denn dadurch behalten Sie immer eine gewisse Kontrolle über Ihr Verhalten, Denken und Fühlen. Bei größtmöglicher Angst, wie sie durch eine Konfrontation mit extrem belastenden Situationen hervorgerufen wird, ist kein sinnvolles Lernen möglich, denn Körper und Geist werden dabei übererregt. Es besteht zudem die Gefahr, dass Sie durch sehr unangenehme Erfahrungen neuerlich traumatisiert werden und künftig erst recht ein Vermeidungsverhalten entwickeln.
Wenn Sie zusätzlich zu Ihren sozialen Ängsten ein schüchterner Mensch sein sollten, raten wir Ihnen, zu Ihrem Bedürfnis nach einer längeren Aufwärmphase in unvertrauten sozialen Kontakten zu stehen und Ihre Schutzmauern entsprechend Ihrem Temperament nur langsam abzubauen, um sich nicht zu überfordern. Als schüchterner Mensch brauchen Sie einfach länger, sich an neue Situationen zu gewöhnen. Sie müssen nicht gleich Ihre Schüchternheit überwinden, sondern im Umgang mit anderen einfach »nur« erfolgreich handeln, um
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