Raus aus der Suchtfalle
Medizin und Psychologie fragen häufig: »Was macht krank?« Diese Frage ist die Frage der Pathogenese und begründet die Pathologie, die Lehre von den Erkrankungen. Die Salutogenese verfolgt genau den umgekehrten Ansatz und fragt sich: Was stärkt, was hält gesund?
Wer im Sinn der Salutogenese denkt und handelt, sucht bei sich und bei Menschen um sich herum nach dem Stärkenden, nach den Ressourcen. Nicht die Fragen nach den Schwächen, den Defiziten, dem Nichtkönnen, sondern das aktive Suchen des Hilfreichen stehen im Mittelpunkt. Die Psychotherapieforschung zeigt in beeindruckender Weise: dieser Blick der Salutogenese und der Ressourcenorientierung fördert das Gesundwerden und -bleiben.
Wir vertreten eine ressourcenorientierte Psychotherapie, die die Patienten ermutigt, sich auf die Suche nach den eigenen inneren Stärken zu machen. Gerade in der Phase der Aufrechterhaltung ist diese Suche nach dem Stärkenden sehr hilfreich. Aus diesem Grund laden wir Sie an dieser Stelle zu folgender Übung ein (s. rechts oben).
Wie bei allen unseren Übungsvorschlägen bietet sich auch für diese Übung an, sich nicht nur Zeit dafür zu nehmen, sondern jeweils auch ein paar Stichworte aufzuschreiben. Dies ist deshalb wichtig, weil gerade in Krisenzeiten das Aufgeschriebene eine ganz wichtige Brücke zum Gesunden und Stabilen darstellt.Außerdem zwingt uns das Aufschreiben zu einer intensiveren und umfassenderen Beschäftigung mit dem Thema. Und wir wollen ja mit diesem Vorschlag eine gute Voraussetzung dafür schaffen, dass Sie sich intensiv mit Ihren Ressourcen, Ihren Stärken beschäftigen – so intensiv, dass diese Beschäftigung mit dem Hilfreichen zunehmend Ihr Erleben, Denken und Verhalten bestimmt.
ÜBUNG
Was gibt Ihnen Kraft? Was tut Ihnen gut?
Nehmen Sie sich in den nächsten Wochen an mehreren Tagen jeweils mindestens eine viertel Stunde Zeit, um sich ausführlich Gedanken über die eigenen Stärken zu machen. Dabei können Sie sich zum Beispiel folgende konkrete Fragen stellen:
Woher habe ich bisher Kraft geschöpft, um die Tage zu gestalten?
Welche Hoffnungen begleiten mich in den letzten Monaten und Jahren?
Welche Gedanken haben mir bisher eher geholfen und gut getan?
Welche Menschen tun mir gut?
Womit konnte ich bisher mir wichtigen Menschen besonders gut eine Freude bereiten?
Bei welcher Sportart oder welchem Hobby habe ich mich richtig wohlgefühlt?
Die Frage nach dem persönlichen Sinn des Lebens
Antonowsky hat bei seinen Forschungen zur Salutogenese allerdings neben den einzelnen Ressourcen etwas Übergeordnetes als wichtig erkannt. Er nannte dieses Übergeordnete den »sense of coherence«, also den Sinn für Zusammenhänge. Die Menschen, die die Konzentrationslager eher gesund überstanden haben, haben besonders viel Sinn für Zusammenhänge gehabt, sie haben eine »Idee« für das Leben, für ihren Lebenssinn gehabt. Das kann ein religiöser Glauben, eine humanis tische Idee, eine persönliche Weltanschauung und Ähnliches sein.
Aus diesem für die Salutogenese ganz zentralen Ergebnis können wir eine Empfehlung wiederholen: Es lohnt sich, sich mit der eigenen Lebensidee zu beschäftigen und damit mit den Fragen: Wofür soll mein Leben gut sein? Was ist mein persönlicher Sinn meines Lebens? Auf welchen Fundamenten steht mein Leben?
Es würde den Rahmen dieses Buches sprengen, die Fragen des Lebenssinns zu bearbeiten. Wir wollen auch nicht unsere eigenen Überzeugungen, Welt- und Gottesanschauungen in diesem Ratgeber für absolut erklären. Aber wir wollen an dieser Stelle anregen, über diese Fragen nachzudenken, diesen Fragen Raum und Zeit einzuräumen und sich auch Gedanken darüber zu machen, mit welchen Menschen Sie diese Fragen am besten bearbeiten können. Denn wir wissen: Wer sich mit diesen Fragen beschäftigt, hat eine größere Chance, psychisch stabil zu werden und zu bleiben und ein zufriedeneres Leben zu leben.
»Jetzt kann ich über die wirklich wichtigen Dinge sprechen«
Frau S. berichtet: »In der Therapie habe ich zum ersten Mal erlebt, hinter die Dinge zu blicken. Ich habe vorher eine Fassade gehabt und war eigentlich nie ich selbst. Der Alkohol hat mir dabei geholfen, mein wirkliches Ich zu verbergen. In der Gruppentherapie habe ich die Erfahrung gemacht, dass es gut ist, sich mit anderen über die wirklich wichtigen Dinge und die eigenen Gefühle auszutauschen. Ich kann jetzt eigene Befürchtungen und gute Gefühle viel besser benennen und darüber mit anderen in Kontakt
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