Raus mit der Sprache

Titel: Raus mit der Sprache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Steinbuch

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die die Aufgabe in einem Bruchteil der Zeit, die Sie benötigen, geschafft haben. Erstens wissen Sie nicht, ob die Zeitangabe stimmt oder ob da nicht geblufft wird. Zweitens gilt: Sie sind Sie, und Sie brauchen Ihre Zeit, und das ist Ihre Grundlage. Es sei denn, X oder Y haben Ihnen etwas voraus, das Sie noch nicht kennen; dann lassen Sie sich das erklären und schauen, ob Sie etwas damit anfangen können und ob es zu Ihnen passt.

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Das Aufschieben
    Obwohl so viele Menschen aufschieben und daran leiden, muss gleichwohl etwas Gutes daran sein. Und in der Tat, es ist ein sehr trickreiches Arrangement:
    Sie haben eine Größenphantasie, wie das Werk (Referat, Hausarbeit) werden soll, aber Sie fangen nicht an, das Erforderliche zu tun. Die Großartigkeit kippt um in Minderwertigkeit und Sie meinen, das nie zu schaffen. Wenn Ideal- und Realbild auseinander klaffen, gibt es ein Problem. Je größer die Diskrepanz, umso größer das Problem.
    |84| Mit Sicherheit sind Sie weder so großartig noch so unfähig, wie Sie sich das ausmalen, sondern Ihr realistischer Platz liegt irgendwo zwischen den beiden Extremen. Wenn Sie den einnehmen und Ihr Ziel anpeilen, dann stehen zahlreiche, zum Teil Schweiß treibende Arbeitsschritte an. Während Sie zwischen Großartigkeit und Minderwertigkeit hin- und herpendeln, vermeiden Sie die Anstrengung, die notwendig ist, das Ziel zu erreichen. Das ist der eine ›Vorteil‹ des Arrangements.
    Würden Sie sich rechtzeitig an die Arbeit machen, dann könnte sich unter Umständen herausstellen, dass Sie das Ziel nicht zu 100 Prozent, sondern nur zu 80 Prozent erreichen, Sie also hier an Ihre Grenze stoßen (und wer stößt schon gern an seine Grenzen). Wenn Sie aufschieben und im letzten Augenblick doch noch anfangen und das Ergebnis dann gar nicht mehr großartig sein kann, können Sie sich immer sagen: Ja, wenn ich mich rechtzeitig hingesetzt hätte, dann wäre etwas Großartiges daraus geworden. So erhalten Sie die Illusion aufrecht, dass Sie bei genügend Zeit die Marke 100 erreicht hätten und brauchen sich nicht 20 Punkte abzuschminken, um Ideal und Realbild in Deckung zu bringen. Das ist der zweite ›Vorteil‹ dieses Arrangements.
    Nun frage ich Sie: Wieso müssen Sie großartig sein? Wer verlangt das von Ihnen? Bis Marke 80 zu kommen ist doch eine respektable Leistung und allemal besser, als aus Angst, die 100 nicht zu erreichen, nichts zu tun. Wenn Sie jeden Tag ein kleines Brötchen backen, werden Sie mit Sicherheit überleben, bei einem großen Brotlaib, von dem Sie nur träumen, aber verhungern.
    Vielleicht vermag der folgende Textausschnitt von George Bernard Shaw die Kränkung zu lindern:
    »Meine Kaufmannslehre hatte mich daran gewöhnt, jeden Tag
regelmäßig etwas zu tun, das wurde als das grundlegende Kriterium
betrachtet, durch das sich Fleiß von Faulheit unterschied
. Ich wusste, dass ich nicht vorwärts kommen würde,
wenn ich das nicht weiter so machte, ja, dass ich es nur auf diese
und auf keine andere Weise jemals fertig bringen würde, ein
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Buch zu schreiben. Ich kaufte mir also immer für einen halben
Schilling weißes Kanzleipapier, faltete es zu Quartblättern und
verurteilte mich dazu, ganz gleich ob es regnete oder die Sonne
schien, ob ich mich leer oder inspiriert fühlte, täglich meine
fünf Seiten voll zu schreiben. Es steckte noch so viel vom Schuljungen
und vom Kaufmannslehrling in mir, dass ich mitten im
Satz aufhörte, wenn ich meine fünf Seiten voll hatte. Wenn ich
aber einen Tag ausgesetzt hatte, so holte ich das Versäumte
nach und schrieb am nächsten Tag doppelt so viel. Auf diese
Weise brachte ich in fünf Jahren fünf Romane zustande. Das
war meine Lehrzeit als Schriftsteller ...«
    Sicherlich müssen Sie es nicht genauso rigide handhaben wie Shaw, aber der Textausschnitt zeigt, dass selbst einem berühmten Schriftsteller seine Arbeitsergebnisse nicht in den Schoß fallen. Verlangen Sie das auch nicht von sich, und freunden Sie sich mit der Tatsache an, dass die Fortschritte gelegentlich langsam und die Arbeitsergebnisse zuweilen bescheiden sind. Solange Sie dranbleiben und etwas tun, können Sie Ihr Arbeiten und Reden verbessern. Problematisch wird es erst dann, wenn Sie aufschieben bzw. schweigen, dann stagniert zwangsläufig Ihre Entwicklung in diesen Bereichen.

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Zeitliche Begrenzung
    Der bewusste Umgang mit der Zeit ist auch eine Hilfe, um mit schriftlichen Arbeiten fertig zu werden. Ein