Rausch der Sinne
sein.”
“Dieser Flug – ist der nicht sehr teuer?”
“Charlotte, das lass meine Sorge sein.” Er schloss sie in seine Arme. “Ich kann die Vergangenheit nicht ändern, aber ich kann dir helfen, die Wahrheit herauszufinden. Also lehne mein Geschenk nicht ab.”
“Nein, das werde ich nicht. Danke.”
Sie schmiegte sich enger an seinen warmen Körper, schlang den Arm um seine Brust und empfand großen Schmerz bei dem Gedanken, dass sie schon bald wieder allein in diesem Bett schlafen würde. Allein, mit gebrochenem Herzen und geplatzten Träumen. Dennoch, wenn sie noch einmal vor der Entscheidung stände, würde sie ohne zu zögern wieder dieselbe treffen.
“Ich denke, wir sollten jetzt ein bisschen schlafen.” Sie wusste, er würde ihre gedämpfte Stimmung der bevorstehenden Reise zuschreiben, aber das war im Moment nur ein entfernter Traum. Ihre Gedanken bewegten sich darum, dass sie schon bald den Mann verlieren würde, den sie liebte. Und es gab nichts, was sie dagegen tun konnte. Wenn all die tollen Frauen vor ihr es nicht geschafft hatten, ihn zu halten, wie konnte sie dann hoffen, mit einem Mann zusammenbleiben zu können, der nicht an Liebe und Treue glaubte?
“Bist du sicher, dass du schlafen willst,
ma petite?”
Alexandres Stimme liebkoste sie in der Dunkelheit.
Sie spürte das bittersüße Lächeln auf ihren Lippen, wusste aber, dass er es in der Dunkelheit nicht sehen konnte. “Nun, ich könnte mich vielleicht zu gewissen Aktivitäten noch überreden lassen.”
Charlotte erlebte die Reise nach Nebraska wie im Nebel. Alexandre saß neben ihr, doch er versuchte nicht, sie in eine Unterhaltung zu verwickeln. Offensichtlich spürte er, dass sie die Zeit brauchte, um sich vorzubereiten.
In Nebraska wurden sie fast von der trockenen Hitze erschlagen, doch Charlotte war so in Gedanken, dass sie kaum etwas wahrnahm. Auf der Autofahrt verwandelte sich ihre Anspannung in Nervosität, und sie war innerlich so kribbelig, dass sie das Gefühl hatte, gleich platzen zu müssen.
“Hör auf, dir so viele Gedanken zu machen,
ma petite.”
“Ich kann nichts dagegen tun.”
Er streichelte über ihre Wange, und irgendwie half ihr dieser Körperkontakt mehr als tausend Worte.
Schließlich erreichten sie Kendall, den letzten bekannten Wohnort von Mary Little Dove Ashton. Die orangefarbene Klinkerfassade vom Krankenhaus war schon von Weitem zu sehen. Obwohl sie sich keine Hoffnung machen wollte, konnte Charlotte nichts gegen ihren vor Aufregung rasenden Puls und die feuchten Hände tun. Sie stieg aus dem Wagen und schlug die Tür zu.
Alexandre kam um den Wagen herum und nahm ihre Hand.
“Der Moment der Wahrheit”, flüsterte sie, und starrte auf das Gebäude, das ihr Leben verändern könnte.
“Komm,
ma chérie,
lass uns hineingehen und sehen, was wir herausfinden können. Denk daran, ich bin bei dir.”
Immer.
Ihr Herz hörte das Wort, das er nicht über die Lippen brachte. Doch so, wie er jetzt bei ihr war, wollte sie in schweren Zeiten auch bei ihm sein. Früher oder später würde Alexandre erkennen, dass nicht alle Frauen wankelmütig und untreu waren.
Eine innere rebellische Stimme meldete sich.
Wer sagt denn, dass die Beziehung enden muss, wenn er das Weingut verlässt?
Er schien es nicht eilig zu haben, von hier wegzukommen, und sie weigerte sich, ihn kampflos aufzugeben. “Ich bin so froh, dass du bei mir bist.”
Sie gingen die wenigen Schritte zum Eingang des Krankenhauses. Der Geruch nach Desinfektionsmitteln, das Schreien eines Babys und die weißen Wände versetzten Charlotte einen Schlag.
Hier war ihr Vater gestorben.
Mit großer Mühe schaffte sie es, sich zusammenzureißen. Sie gingen an die Anmeldung, die von einer jungen Frau in einer gestärkten Schwesterntracht besetzt war. Auf ihrem Namensschild stand “Ann Johnson”.
“Kann ich Ihnen helfen?” Die Krankenschwester blickte auf.
“Mein Name ist Charlotte Ashton”, begann Charlotte. Sie schöpfte Kraft aus Alexandres Anwesenheit. Er versuchte nicht, das Gespräch an sich zu reißen, aber sie konnte sich darauf verlassen, dass er eingreifen würde, wenn sie ins Stolpern kam. “Meine Mutter und mein Vater sind vor fast zweiundzwanzig Jahren in dieses Krankenhaus eingeliefert worden. Mir wurde gesagt, sie seien gestorben.”
“Verstehe.” Schwester Ann Johnson blickte Charlotte mit großen Augen an und widmete ihr ihre ganze Aufmerksamkeit.
“Als ich jedoch beim Einwohnermeldeamt die Sterbeurkunden angefordert
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