Rausch der Unterwerfung
präsentierte sich modern und auffallend übersichtlich. Die Wände waren weiß getüncht, und der Fußboden bestand aus tiefschwarzen Fliesen, die im indirekten Licht, das plötzlich aufflammte, matt glänzten. Die Möblierung des Raums, der offenbar das gesamte Erdgeschoss ausmachte, war geradezu minimalistisch. Im Zentrum lag ein großer, weißer Teppich, auf dem ein flacher, schwarz lackierter Holztisch stand. Nach Sitzmöbeln hielt Anne vergeblich Ausschau. In einer Ecke gab es eine kleine, von einem Tresen abgetrennte offene Küche, in einer anderen stand ein massiver Holzschrank, schwarz lackiert, genau wie der Tisch. Das war alles, was das Auge des Betrachters von den eigentlichen Attraktionen ablenken konnte – und die hingen an den Wänden, lebensgroße Fotografien, die Anne augenblicklich in ihren Bann zogen.
Sie atmete tief ein. Himmel! Miguel hatte sich ihr als Künstler vorgestellt, und nichts anderes war er, verdammt noch mal!
Auch wenn er vielleicht nicht den Geschmack von jedem Menschen traf, den von Anne traf er auf den Punkt. Sie spürte, wie ihr Puls sich beschleunigte. Das war Schönheit, vollkommene Ästhetik, Erotik pur.
Die Fotos zeigten Frauen, allesamt von hinten, der Seite, sogar von oben, nicht eine zeigte ihr Gesicht. Ihre Glieder waren in kunstvollen Fesselungen gebannt, ihre nackten Körper verkrümmt und verbogen wie die gedrahteten Äste eines Bonsaibaums, und ihre Haut zeigte frische Spuren von erduldetem Schmerz.
Miguel hatte seine Neigungen zur Kunst gemacht. Warum hatte er ihr nie etwas davon gesagt?
„Wundervoll“, glitt es leise über Annes Lippen.
„Meine private Sammlung“, vernahm sie die ebenso leise Antwort direkt neben ihrem Ohr. Miguel war hinter sie getreten und umfasste ihre Oberarme mit festem Griff. „Du bist eine der sehr wenigen, die sie je zu Gesicht bekommen. Und du bist die Nächste, mein nächstes Werk.“
Anne erschauerte, aber nicht aus Furcht, sondern weil die Vorstellung, von ihm wie diese Frauen gefesselt und geformt zu werden und ihm anschließend Model zu stehen, ihr vor Erregung eine Gänsehaut machte.
„Es ist mir eine Ehre, Herr“, flüsterte sie, und es waren genau die Worte, die sie in diesem Moment sagen wollte.
„Gut“, antworte er und ließ ihre Arme los. „Zieh dich aus und mach es dir bequem, ich bin gleich wieder bei dir.“
Kurz darauf war er über eine Treppe an der Seitenwand des Raums ins Obergeschoss verschwunden.
Eine Weile stand Anne unschlüssig da und wusste nicht recht, was sie machen sollte, also stellte sie erst einmal ihre Handtasche auf den Boden und ging anschließend auf den Tisch zu.
Er hatte nicht gesagt: „Leg den Mantel ab.“ Sie hatte ja auch gar keinen an, aber zumindest hätte sein Tonfall dieser Forderung entsprochen. Er hatte gesagt: „Zieh dich aus.“ Ja, aber wie viel? Alles? Warum war er dann weggegangen?
Schon während der Fahrt auf der Autobahn hatte sie sich ausgemalt, wie er sie genau dazu auffordern würde, und die Vorstellung allein hatte sie ganz schwindlig gemacht. Sie hatte sich sogar überlegt, wie sie die wenigen Kleidungsstücke, die sie trug, möglichst verführerisch von sich abstreifen und fallen lassen würde, während er ihr dabei zusah. Und jetzt war er weg.
Er konnte nicht „alles“ gemeint haben. Vermutlich wäre er sogar verärgert, wenn ihm das Schauspiel ihrer ersten Entblätterung entging und sie ihn nur mit dem Ergebnis konfrontierte.
Sie konnte ja erst mal mit ihren Sandalen anfangen, die ohnehin an ihren Füßen hingen, als hätten sie sich mit Reißzähnen festgebissen, nachdem sie den ganzen Tag darauf herumgestöckelt war.
Anne stöhnte selig auf, als sie mit ihren bestrumpften Füßen auf den Teppich trat. Als nächstes griff sie nach einem der Spitzenbänder an ihren Oberschenkeln. Und als hätte sie es geahnt, erreichte sie im selben Moment ein Ruf aus dem Obergeschoss.
„Die Strümpfe behältst du noch an!“
Sie unterdrückte den Unmutslaut, der ihr in die Kehle stieg, und zog ihre Daumen aus dem Strumpfband heraus. Aber wenigstens hatte er ihr nun einen Hinweis gegeben, was genau er von ihr erwartete. Alles, abgesehen von den Strümpfen. Na schön, das war ohnehin nicht viel.
Sie zog das Top über ihren Kopf, öffnete den Reißverschluss ihres Rocks und ließ ihn zu Boden fallen. Fertig.
Mit dem Fuß schob sie die beiden Kleidungsstücke und die Schuhe unter den Tisch, weil sie in der abgezirkelten Ordnung irgendwie störend wirkten, dann
Weitere Kostenlose Bücher