Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Raven (Amor-Trilogie) (German Edition)

Raven (Amor-Trilogie) (German Edition)

Titel: Raven (Amor-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
Vom Netzwerk:
ins Gesicht.
    Ich mag Pike nicht. Er ist launisch und gemein und glaubt, er könne mich – und alle anderen – herumkommandieren.
    Ich lege ihm eine Hand auf die Brust und schiebe ihn weg. »Verschwinde.«
    »Ich hab dich was gefragt.«
    »Sprich nicht so mit ihr«, wirft Tack ein, schon auf hundertachtzig und bereit jeden Moment hochzugehen.
    »Schon gut.« Ich bin es plötzlich leid zu streiten. Ich muss daran denken, was Lena gerade zu mir gesagt hat. Die Frau, die mich aus der Zuflucht geholt hat … Das war meine Mutter. Hast du das gewusst? Als hätte ich das wissen müssen. Als wäre es meine Schuld, dass Lenas Mutter mit einem Bis bald, wir sehen uns weitergezogen
ist.
    Aber ich weiß, dass es tiefer reicht als das. Ich habe immer gedacht, dass Lena einsam ist, so wie ich damals. Ich habe immer ein Stück von mir in ihr gesehen. Aber sie ist nicht einsam. Sie hat eine Mutter, eine freie Mutter, eine Kämpferin. Jemanden, auf den sie stolz sein kann. Sie hat eine Familie.
    Ich schließe die Augen und atme tief durch, denke an eine Steinhütte, die von einem feinen Schleier aus Schnee eingehüllt ist. Ich öffne die Augen wieder.
    »Wir mussten uns um was kümmern«, sagt Tack.
    »Aber jetzt ist alles erledigt«, füge ich schnell hinzu. Ich werfe Tack einen Blick zu, versuche ihm mit den Augen etwas mitzuteilen – lass es gut sein, beharr nicht darauf, lass uns hier weg.
    »Wir wären beinahe ohne euch los«, sagt Pike, der immer noch nicht bereit ist uns zu verzeihen.
    »Gebt uns zwanzig Minuten«, sage ich und schließlich tritt Pike beiseite und lässt uns vorbei.
    Das Zimmer, in dem wir geschlafen haben, ist weitgehend auseinandergenommen worden: die meisten Pritschen zerlegt, die Ausrüstung eingepackt. Alle machen sich fertig, um weiterzuziehen. Sobald die Aufseher herausfinden, dass es Invaliden waren, die Julian rausgeholt haben – vielleicht haben sie es auch bereits herausgefunden –, werden sie eine Suchaktion veranstalten. Irgendwann werden sie dann auch hier landen.
    Den Jungen, der gestern Abend angekommen ist, sehe ich nirgends. Den Flüchtling aus den Grüften – jung, ruhiger Typ. Er hat kaum ein Wort gesagt, bevor er ins Bett gefallen ist. Er sah aus, als wäre er übel misshandelt worden.
    Dass er wie Lena aus Portland kommt, bringt mich unwillkürlich ins Grübeln.
    »Eins meiner Messer ist weg«, sagt Tack. Er hebt die Matratze vom Gestell der Pritsche. Dort verstauen wir die wichtigen Sachen, die Sachen, die die anderen nicht sehen und in denen sie nicht herumwühlen sollen. Es ist nicht wirklich ein Versteck, da das alle so machen – eher eine Grenze. Tack wird langsam unruhig, zerrt die dünne Decke weg, klopft die Kissen aus. »Eins meiner besten Messer.«
    Einen Augenblick ist der Drang, es ihm zu sagen, überwältigend. Er steigt wie eine Blase in meiner Brust auf. Lass uns weggehen, sage ich beinahe. Nur du und ich. Weg von dem Kampf.
    Stattdessen sage ich: »Guck doch mal im Lieferwagen nach.«
    Als Tack den Raum verlässt, bleibe ich allein zurück. Plötzlich muss ich es erneut sehen, muss wissen, dass es wahr ist. Ich gehe in die Hocke und stecke die Hand in den Spalt zwischen die Matratze und den billigen Metallrahmen. Nachdem ich eine Weile gekramt habe, finde ich es: ein kleiner Stab, kaum größer als ein Teelöffel, sorgfältig in eine Plastiktüte gehüllt. Es hat mich eins von Tacks Messern und eine silberne Kette mit einem Türkisanhänger gekostet, die Lena mir geschenkt hat, als sie über die Grenze kam. Die Händlerin, die sich bereit erklärte, es für mich zu besorgen, betonte immer wieder das hohe Risiko. Alle wissen, dass es praktisch unmöglich ist, heutzutage einen Schwangerschaftstest zu kriegen, sagte sie. Dafür braucht man Papiere. Einwilligungserklärungen der Aufsichtsbehörde. Blablabla.
    Ich habe bezahlt. Es ging nicht anders – ich musste es einfach wissen.
    Ich setze mich zurück und streiche die dünne Plastikfolie glatt, damit ich das Ergebnis erkennen kann: zwei schwache parallele Linien, wie eine Leiter, die irgendwohin führt.
    Schwanger.
    Im Flur ertönen Schritte. Ich stecke den Test schnell zurück unter die Matratze. Mein Herz klopft heftig, schnell. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber ich habe das Gefühl, noch einen Herzschlag zu spüren, einen schwachen Puls irgendwo unter meinem Brustkorb, der eine Antwort klopft.
    Das Erste nennen wir Blue.

Leseprobe

    Ich stand am Rand einer überfüllten Straße und betrachtete

Weitere Kostenlose Bücher