Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
Sind Sie einverstanden?«
Raven hatte sie mittlerweile eingeholt und hielt ihr sehr gentlemanlike die Tür auf. Und ob er einverstanden war! Ihm wurde richtig warm ums Herz, als er an den Scheck im Schnellhefter und die Erfolgsprämie dachte.
Zugleich überlegte er verzweifelt, wie er ihren unvermeidlichen Abgang noch ein bisschen hinauszögern konnte. Aber ihm wollte partout nichts einfallen.
Melissa McMurray hatte bereits auf den Aufzugsknopf gedrückt, als ihm der rettende Gedanke kam.
»Eine Frage hätte ich noch«, sagte er rasch, während der Aufzug anhielt. Eins, zwei, drei - die Tür schwang mit der üblichen Zeitverzögerung auf. »Wie sind Sie eigentlich auf mich gekommen? Ich meine, ein so berühmter Privatdetektiv, wie Sie beim Hereinkommen sagten, bin ich nun wirklich nicht, Mrs. McMurray.«
Sie drehte sich noch einmal zu ihm um und schenkte ihm das strahlendste Lächeln, das Raven im Lauf der letzten halben Stunde von ihr zu sehen bekommen hatte. »Miss McMurray, Mr. Raven.« Sein Herz tat einen Sprung. »Und was Ihre Berühmtheit angeht: In gewissen Kreisen sind Sie tatsächlich sehr berühmt. Sie wurden mir ausdrücklich empfohlen. Von Sir Anthony Gifford, wenn es Sie interessiert.«
Ravens Herz tat wieder einen Sprung, diesmal allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Sir Anthony Gifford, von Beruf Sonderbeauftragter Ihrer Majestät der Königin, von Berufung der größte Schürzenjäger der Vereinigten Königreiche.
»Ach, Sie - Sie sind mit Sir Anthony befreundet?«, erkundigte sich Raven kläglich.
Melissa McMurrays Lächeln bekam jetzt eine ausgesprochen maliziöse Note. »Sagen wir, ich - verkehre mit ihm«, erwiderte sie, wandte sich um und trat in den Aufzug. Hinter ihr schloss sich die Tür.
Und während die Aufzugskabine nach unten glitt, fragte sich Raven, wie sie das wohl gemeint haben mochte.
»Ici Orly, ici Orly. Die Passagiere des Fluges Nummer 909 Rio de Janeiro - Paris werden gebeten, sich unverzüglich zur Zollkontrolle zu begeben. Ich wiederhole: Die Passagiere des Fluges ...«
Der hochgewachsene blonde Mann mit der teuren, eleganten Reisetasche betrat die Empfangshalle inmitten einer Traube munter schwatzender Südamerikaner - Geschäftsleute oder Kongressteilnehmer, wie er mit halbem Ohr aus ihren Unterhaltungen zu entnehmen meinte. Der kalte Herbstnebel, der über Paris lag und ihre Landung fast verhindert hätte, hatte ihr südländisches Temperament nur unwesentlich dämpfen können, als sie auf dem kurzen Weg vom Bus zur Empfangshalle durch ihn hindurchtauchten.
Der blonde Mann trug seine Haare streichholzkurz; sein Gesicht war scharf rasiert und zeigte nicht den geringsten Anflug von Bartstoppeln. Die leichte Goldrandbrille mit den schwach getönten Gläsern passte perfekt zu seiner wettergegerbten Haut und den strahlend blauen Augen.
Der Anzug des Blonden war für das Pariser Wetter etwas zu leicht und zu hell; darüber trug er einen sandfarbenen Trenchcoat. Auf der dunkelbraunen Reisetasche prangten in goldenen Zierbuchstaben die Initialen P.R.
Der Reisepass des Mannes in der Empfangshalle des Flughafens Orly lautete auf Paul Rhodes. Das eingeschweißte Passfoto zeigte sein ernstes, goldbebrilltes Gesicht, und die auf der gegenüberliegenden Seite verzeichneten Lebensdaten hätten selbst einer etwas genaueren Überprüfung standgehalten.
Der Pass war, wenn man so wollte, perfekt. Er hatte eigentlich nur einen kleinen Fehler: Er war gefälscht.
Und der Mann, der diesen gefälschten Reisepass benutzte und sich Paul Rhodes nannte, war innerlich längst nicht so ruhig, wie es von außen den Anschein haben mochte. Er konnte einfach nicht glauben, dass nicht jeder, dem er begegnete, das Kainszeichen des Mörders auf seiner Stirn sah und das Blut an seinen Händen.
Während er sich inmitten der Menge, die sich nun zu einer nicht sehr ordentlichen Schlange auseinanderzog, der Zollschranke entgegenschob, verspürte er das dringende Bedürfnis, in den nächsten Waschraum zu stürzen und sich die Hände mit sehr viel Seife zu waschen. Er biss leicht die Zähne zusammen, wobei sich sein Unterkiefer defensiv nach hinten zurückzog. Nur nicht auffallen ...
Die Schlange kam zum Stehen, ruckelte wieder ein Stückchen nach vorne. Drei Schritte, stehen bleiben, drei Schritte ... Seine Hände begannen zu jucken. Obwohl er noch mindestens zehn Meter von der Zollschranke entfernt war, glaubte er die Blicke der Zöllner auf sich gerichtet zu spüren. Inmitten dieser kleinen,
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