Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
Schreibtischsessel fallen und begann nachdenklich an seiner Unterlippe zu nagen. »Irgendwoher kommt mir das bekannt vor.«
»Es wäre der vierte, der gefunden worden wäre«, erklärte Melissa McMurray eifrig. Ihre Augen glänzten, und die Goldpünktchen in den beiden graugrünen Meeren schienen größer zu werden. »Der erste, 1927 in Britisch Honduras ausgegraben, befindet sich im Museum of American Indians in New York City, der zweite, dessen Herkunft unbekannt ist, im Musée de l'Homme in Paris. Und ein dritter, dessen Herkunft ebenfalls im Dunkeln lag, befand sich noch vor einem halben Jahr hier in London im Britischen Museum. Die drei Schädel unterscheiden sich durch gewisse Details voneinander. Der in Amerika - übrigens der Einzige, der jemals gründlicher studiert worden ist - hat zum Beispiel einen abnehmbaren Unterkiefer. Aber ich will jetzt nicht in die Einzelheiten gehen. Ich habe ...«
»... ein Dossier darüber in Ihrem Aktenköfferchen«, vollendete Raven den Satz.
»Ich sehe, ich bin an der richtigen Adresse. Ihre detektivischen Fähigkeiten sind wirklich überwältigend.«
Platsch - landete der nächste Schnellhefter auf der Schreibtischplatte. Raven rührte ihn nicht an, sondern legte seine Finger zu einem Dach zusammen und ließ sein Kinn auf dem First ruhen.
»Langsam beginne ich die Zusammenhänge zu sehen«, meinte er nachdenklich. »Sie sagten, der dritte Schädel befand sich im Britischen Museum?«
Melissa McMurray nickte. »Er wurde vor einem halben Jahr gestohlen. Wir haben natürlich die Polizei eingeschaltet, aber von den Tätern fehlt nach wie vor jede Spur.«
»Und die anderen beiden Schädel?«
»Der in New York ist irgendwo in den Magazinen des Museums verschwunden. Ich habe mit dem zuständigen Kurator telefoniert, der mir versprach, bei Gelegenheit eine Hilfskraft auf die Suche zu schicken. Das kann Wochen dauern. Ich warte auf den Rückruf.«
»Zu viele Exponate und zu wenig Ausstellungsfläche«, kommentierte Raven. »Das geht wohl vielen Museen so ...«
Melissa McMurray nickte wieder, diesmal überaus heftig. »Allerdings. Wir - das Britische Museum - platzen auch fast aus allen Nähten. Unersetzliches Kulturgut verschimmelt und verrottet in feuchten Kellern. Gemälde, um derentwegen die ganze Kunstgeschichte umgeschrieben werden müsste, geraten in Vergessenheit. Stellen Sie sich einmal vor ...«
Raven, der sah, dass ihr professioneller Eifer sie davonzutragen drohte, unterbrach sie mit einer beschwichtigenden Handbewegung. Augenblicklich kam sie wieder zur Sache.
»Der Schädel in Paris, richtig. Nun, der ist garantiert noch da. Seit heute Morgen wird er im Rahmen einer großen Ausstellung süd- und mittelamerikanischer Kunst im Centre Georges Pompidou in Paris gezeigt.«
In Ravens Kopf wirbelten die Daten durcheinander. Hinter seiner Stirn machte sich langsam ein bohrender Kopfschmerz breit. »Darf ich davon ausgehen, dass Sie schon Ihre persönlichen Schlüsse hinsichtlich gewisser Zusammenhänge zwischen dem Verschwinden der drei Männer und ihres Schiffes und dem des Londoner Schädels gezogen haben?«, erkundigte er sich mit mühsamer Konzentration.
»Sie dürfen.«
»Und die Polizei hält Sie für etwas spinnert. Kristallschädel - puh! Und eine mysteriöse Gruppe, die alles daransetzt, diese Kristallschädel in ihren Besitz zu bekommen - so ein Quatsch! Richtig?«
»Richtig.«
»Ich übernehme den Auftrag.«
Seine Besucherin lachte ihn breit an. »Sehr schön. Ich würde vorschlagen, dass Sie sich erst einmal mit den Fakten vertraut machen. Wenn Sie zusätzliche Fragen haben, wenden Sie sich bitte an meinen Assistenten im Museum, Jim Hazelwood. Ich selbst bin leider in den nächsten Tagen auf Reisen.« Sie blickte auf ihre zierliche silberne Armbanduhr. »Was mich daran erinnert, dass ich jetzt leider aufbrechen muss.«
Sie war schon halb bei der Tür, als sich Raven endlich aufgerappelt hatte. »Einen Moment, Mrs. McMurray«, brachte er mühsam hervor, während er möglichst elegant um den Schreibtisch zu kurven versuchte. »Es ist mir etwas peinlich, dass ich es so platt heraus ansprechen muss, aber wir haben uns noch gar nicht über das Honorar ...«
»In dem Hefter mit dem Dossier über die Kristallschädel liegt auch ein erster Scheck, falls Sie größere Auslagen haben sollten. Wir bezahlen Ihren üblichen Tagessatz und alle vertretbaren und mit den üblichen Unterlagen belegten Spesen. Dazu ein einmaliges Erfolgshonorar von achttausend Pfund.
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