Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
bereits, ist es wieder einmal soweit. Du wirst es nicht mehr erleben, denn nach dir werden noch viele sterben müssen, um das magische Tor zur Unterwelt aufzustoßen, aber schon in wenigen Wochen wird diese Welt wieder den Wesen gehören, denen sie rechtmäßig zusteht. Die Thul Saduum werden wieder herrschen, und ihr, Menschengewürm, werdet zertreten werden wie Ungeziefer, wenn ihr euch unserer Macht widersetzt!«
Er lachte, lachte schrill und gellend und lange, und dann schoss ein orangefarbener Blitz aus seinen glühenden Augen, hüllte den Altarstein und Betty ein und tauchte das steinerne Rund in gleißendes, schattenloses Licht.
Als die Glut erloschen war, lag Stonehenge still und dunkel wie seit Jahrtausenden da. Das grauenhafte Wesen war verschwunden, und auch das unirdisch grüne Leuchten sank zu einem sanften Schimmer herab und erlosch dann ganz.
Nur auf dem schwarzen Altarstein lag ein verkrümmtes, verkohltes menschliches Skelett.
Den ganzen Vormittag über hatten schwere, dunkelgrau und schwarz marmorierte Wolken den Himmel verhangen, und jetzt, als die Sonne ihren Höchststand überschritten hatte und sich allmählich dem westlichen Horizont entgegenneigte, hatte es zu regnen begonnen; feiner, dünner Nieselregen, der von dem böigen Wind fast waagerecht über das Land gepeitscht wurde, Felder und Wiesen in morastige Sümpfe verwandelte und die schmale Landstraße mit einem tückischen Schmierfilm überzog.
Der nasse Asphalt glänzte wie ein stumpfer, sanft gebogener Spiegel, und in Schlaglöchern und Rillen sammelte sich das Wasser in öligen Pfützen.
Trotzdem fegte der metallicgrüne Maserati mit einem geradezu irrsinnigen Tempo über die mit Kehren und scheinbar sinnlosen Schleifen versehene Landstraße. Den Mann am Steuer schienen die miserablen Straßenverhältnisse, die schlechte Sicht und der böige Seitenwind nicht im Geringsten zu stören, denn er kaute nur ungerührt auf seinem Kaugummi herum und pfiff gelegentlich misstönend ein paar Takte aus einem gerade beidseits des Atlantiks beliebten Hit. Es wirkte, als sei er ganz in seinem Element und fühlte sich rundherum wohl.
Er war breitschultrig und hochgewachsen und sonnenverbrannt, ein Grizzly von einem Mann, und sah aus wie ein Flash Gordon zum Einstandspreis. Er bestätigte sämtliche schlimmen Vorurteile gegenüber Amerikanern, die man schon seit jeher gehegt hatte, und dabei war er gar kein Amerikaner, sondern Engländer von Geburt. Wahrscheinlich hatte er es nur brillant verstanden, sich als typischer Ami zu tarnen, um ›drüben‹ schneller die Karriereleiter hochzuklettern. Was ihm dann auch gelungen war.
Der Mann neben ihm auf dem Beifahrersitz war kleiner, nicht ganz so breitschultrig und auch nicht so sonnenverbrannt. Auch er wirkte fit und durchtrainiert, obwohl sein Gesicht im Moment eine leicht grünliche Farbe angenommen hatte. Er hieß Raven, war seines Zeichens Privatdetektiv und fragte sich seit einiger Zeit verzweifelt, wie er bloß so verrückt hatte sein können, diesem Baseballstar sich selbst und seinen Maserati anzuvertrauen.
Nun, wenn er sich selbst gegenüber ehrlich sein sollte, dann lag es wahrscheinlich an dem Scheck mit den drei Nullen hintendran, den Jeff Target bei ihrem ersten Zusammentreffen vor seiner Nase hin und her gewedelt hatte. Jemandem, der so gut zahlt, kann man einen kleinen Wunsch nun einmal sehr schlecht abschlagen.
Vor allem nicht, wenn dieses fürstliche Honorar für einen wirklich lächerlich einfachen Auftrag gezahlt werden soll.
»Zwei alte Freunde von mir, Anne und Seymour Devlin, haben Sie mir empfohlen«, hatte Jeff Target ihm verkündet, als er am Vortage wie ein Wirbelwind in Ravens Büro gestürmt war. »Sie meinen, Sie könnten mir helfen, eine verschwundene Person zu finden. Interesse?«
Und ob Raven Interesse gehabt hatte! Schließlich war er so chronisch pleite wie eh und je, und Klienten, die von den Devlins zu ihm geschickt wurden, waren mit Sicherheit seriös und solvent. Er hatte den Devlins vor einiger Zeit gegen eine Bande von vier brutalen Bankräubern beigestanden und war gemeinsam mit ihnen Ahasver, dem unheimlichen Wanderer durch die Zeiten, entgegengetreten. Seither hatten sie sich miteinander angefreundet, und die Devlins schanzten ihm gelegentlich kleinere Aufträge zu, damit er sich und seine Verlobte und Assistentin Janice Land, eine Jugendfreundin von Anne Devlin, wenigstens halbwegs über Wasser halten konnte.
Der Maserati schleuderte um eine letzte
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