Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Polizeipräsidenten?«
    »Das wollte ich Ihnen ja gerade erklären«, seufzte der Beamte. »Wir haben leider nur knapp fünfhundert Einwohner, und bei einem so kleinen Ort gibt es natürlich keinen Polizeipräsidenten, auch wenn wir für die ganze umliegende Region mit zuständig sind. Ich könnte Ihnen höchstens mit einem Konstabler dienen.«
    »Aber einen Bürgermeister haben Sie doch, oder?«
    Der Beamte nickte eifrig. »Sicher, den haben wir schon. Nur ist der gleichzeitig auch Geschäftsmann, und im Augenblick hält er sich für eine Woche in London auf. Wenn Sie also so lange mit dem Konstabler vorlieb nehmen würden ...? Natürlich nur, wenn es sich um eine wirklich wichtige Angelegenheit handelt. Konstabler Mortenson ist ein viel beschäftigter Mann, Sie verstehen ...«
    »Es ist wichtig. Wo finde ich ihn?«
    Der Beamte deutete auf die Tür, durch die die beiden Besucher eingetreten waren. »Den Flur hinaus, nach rechts, die Treppe hinauf und dann die erste Tür auf der linken Seite. Warten Sie ...« Er drehte sich um und eilte zu seinem Schreibtisch zurück. »Ich melde Sie an, Mister ... äh ...«
    Aber Target war schon auf dem Absatz herumgewirbelt, hatte Raven am Arm gefasst und war gemeinsam mit ihm aus dem Raum gestürmt, ohne sich die Mühe zu machen, die Tür hinter sich zu schließen. Sekunden später polterten ihre Schritte die Treppen hinauf.
    »Sagen Sie mal, müssen Sie sich eigentlich so aufführen, oder geht es nicht auch ein kleines bisschen weniger rüde?«, erkundigte sich Raven mit einiger Schärfe, als sie den ersten Treppenabsatz erreichten. »Kann ja sein, dass man bei Ihnen in den Staaten so mit anderen Leuten umspringt, Jeff, aber wir sind hier in England. Vielleicht sollten Sie sich mal des Unterschieds bewusst werden.«
    Target blieb stehen, als sei er vor eine Wand gelaufen. Langsam drehte er sich zu Raven um und blickte ihn wie ein Wundertier an.
    »Oho«, machte er. »Die alte Kulturnation, was? Hören Sie mir mal gut zu, Raven: Ich bin jetzt seit drei Tagen in Großbritannien, und ich habe in dieser Zeit mehr Arger und Ungelegenheiten gehabt als in einem ganzen Jahr in New York - und alles mit irgendwelchen Beamten Ihrer Majestät, wohlgemerkt. Zuerst wollte man mich meine Pistole nicht nach Großbritannien einführen lassen, und darum habe ich Sie anheuern müssen - als Rückendeckung mit Knarre und Waffenschein, falls wir es wirklich mit einem Verbrechen zu tun haben, wie ich es vermute. Meine eigene Kanone, mit der ich ganz gut umzugehen verstehe, liegt inzwischen im Zollbüro von Heathrow. Und schließlich behandelt man mich bei Scotland Yard wie den letzten Idioten, als ich ganz vorsichtig andeute, dass es sich bei dem Vorfall vielleicht - und wirklich nur vielleicht! - um einen Mord gehandelt haben könnte. Und wenn ich jetzt nicht mal die Wut, die sich in meinen Systemen angesammelt hat, herauslasse, dann platze ich irgendwann. Und das hier scheint mir eine gute Gelegenheit zu sein. Aber wenn Ihnen meine Art nicht passt, dann können Sie ja Leine ziehen. Es gibt genügend andere Privatdetektive in diesem Land, deren Kanone ich mieten kann. Ich denke, wir verstehen uns?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte er sich wieder in Bewegung und stampfte die zweite Treppenflucht hinauf. Raven folgte ihm langsamer, und sein Gesicht war wie versteinert.
    Das also sah Jeff Target in ihm - eine gemietete Kanone mit zwei Beinen untendran. Er konnte es sich zwar nicht leisten, nun den Auftrag hinzuschmeißen, aber immerhin beschloss er, Target nun noch weniger zu mögen als zuvor - auch wenn er instinktiv begriff, was in Wirklichkeit hinter der großen Wut und dem angriffslustigen, beinahe gemeinen Auftreten des Mannes aus den Staaten steckte.
    Nämlich die unendliche Trauer um den brutalen, sinnlosen Tod eines geliebten Menschen. Alles andere - auch die Geschichte mit der Behördenwillkür, die Raven Target durchaus abnahm - waren nur vorgeschobene Gründe, damit Target sich selbst nicht eingestehen musste, was in ihm wühlte und nagte.
    Raven holte Target direkt vor Mortensons Tür ein. Der Hüne hatte sie auf Anhieb gefunden, denn an der Wand daneben prangte ein übergroßes Messingschild, auf dem »HENRY MORTENSON - Konstabler« zu lesen stand.
    Target klopfte an, drückte die Klinke herunter und trat ein, ohne auf eine Aufforderung zu warten, wiederum dichtauf gefolgt von Raven.
    Mortenson war ein kleiner, untersetzter Mann, der auf den ersten Blick fettleibig wirkte, bei

Weitere Kostenlose Bücher