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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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herum und hob in einer beschwörenden Geste die Hände. Dann begann er zu singen. Aber es war ein Gesang, wie ihn keine menschliche Kehle hervorbringen konnte - ein schrilles, blasphemisches Heulen, herübergeweht über die Abgründe der Zeit und für Wesen bestimmt, die nicht menschlich, vielleicht nicht einmal lebendig im herkömmlichen Sinne waren.
    Raven schauderte, als er dieses Heulen vernahm.
    Thul Saduum ... Thul Saduum ... Thul Saduum ... Thul Saduum ...
    Das Heulen brach ab, erklang nach einer Pause erneut und brach wieder ab, um dann noch einmal zu beginnen, immer die gleichen Tonfolgen, die gleichen unmenschlichen Laute.
    Thul Saduum ... Thul Saduum ... Thul Saduum ... Thul Saduum ...
    Und in den Pausen dazwischen war ein schauerliches Knirschen und Mahlen zu hören, als antworte irgendetwas Großes, Mächtiges von tief drunten unter der Erde auf diesen beschwörenden Gesang.
    Raven hatte genug gesehen und gehört. Er wartete, bis sich der Mann umwandte und in die entgegengesetzte Richtung sah, dann sprang er auf und rannte, so schnell er konnte, zu seinem Wagen zurück.
    Immer wieder sah er sich gehetzt um, ob er nicht verfolgt würde, aber er hatte Glück. Der Unheimliche schien so in seine Beschwörung vertieft zu sein, dass er keinen Blick für das hatte, was um ihn herum vorging.
    Raven stürmte durch den düsteren Betontunnel und sprintete hinaus auf den Parkplatz. Er erreichte seinen Wagen, steckte mit zitternden Fingern den Zündschlüssel ins Schloss und startete. Der Motor des Maserati sprang mit einem mächtigen Röhren an. Raven warf den Gang hinein, wendete in aller Hast und trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Wasserfontänen stoben unter den durchdrehenden Reifen des Sportwagens auf, als er den Maserati rücksichtslos auf die Straße lenkte und mit aufbrüllendem Motor in Richtung Karghill lospreschte.
    Ja, er hatte in der Tat genug gesehen und gehört. Die Wesen, mit denen er es hier zu tun hatte und die offenbar auch aus noch ungeklärten Gründen den Tod von Betty Malloy bewirkt hatten, waren die Thul Saduum, die Erzfeinde der Magier von Maronar. Darum war ihm das Monstrum auch so bekannt vorgekommen. Er hatte ähnliche Horrorgeschöpfe in den Erinnerungen Sören Anderssons gesehen, der Reinkarnation des Maroneser Meistermagiers, mit dessen Bewusstsein sein Geist während des Kampfes gegen eine böse Gottheit für kurze Zeit verbunden gewesen war.
    Und schon früher hatte er im Labyrinth der aufgegebenen alten U-Bahn-Stollen tief unter London miterleben müssen, wie die Thul Saduum einen Versuch unternahmen, aus fernster Vergangenheit heraus nach der Erde der Gegenwart zu greifen. Diesen Versuch hatte er in letzter Sekunde vereiteln können.
    Jetzt aber unternahmen sie offenbar einen zweiten Anlauf!
    Das Haus lag außerhalb Karghills, ein kleines, schon halb verfallenes Gehöft im Stil des ausklingenden neunzehnten Jahrhunderts, das schon lange nicht mehr landwirtschaftlich genutzt wurde und dessen Stallungen und Scheunen Jahr für Jahr weiter verfielen.
    Wohn- und Gesindehäuser waren in etwas besserem Zustand. Die Leute, die das Anwesen vor ein paar Jahren gekauft hatten, hielten wenigstens diesen Teil des Gehöfts notdürftig in Ordnung, um im Sommer und während der Frühjahrs- und Herbstsaison Zimmer an Touristen vermieten zu können. Jetzt brannte nur hinter zwei der zahlreichen Fenster im Erdgeschoss des Wohnhauses Licht. Der Winter hatte lange gezögert, sich zurückzuziehen, und auch jetzt war das Wetter noch zu nass, kalt und unberechenbar, um mehr als ein paar ganz unerschrockene Touristen nach Karghill beziehungsweise Stonehenge zu locken.
    Die Hauptsaison hatte noch nicht begonnen, und auf dem Hof herrschte noch Ruhe, die nur durch ein gelegentliches Türenschlagen oder das laute, halb ängstliche, halb wütende Bellen eines Hundes unterbrochen wurde.
    Hinter der gläsernen Eingangstür flammte Licht auf, dann klirrte ein Schlüssel im Schloss, und ein verschlafenes, rotäugiges Gesicht lugte durch den Türspalt.
    »Was ist los, Charles?«, rief eine Frauenstimme von drinnen.
    Der Mann zuckte die Achseln, zog eine Grimasse und blinzelte aus misstrauisch zusammengekniffenen Augen über den Hof. »Keine Ahnung«, murrte er. »Dieser Köter spinnt mal wieder.«
    Er seufzte, warf die Tür hinter sich ins Schloss und schob sorgsam den Riegel wieder vor. Seine schlurfenden Schritte verklangen auf dem Flur.
    Der Hund fuhr fort zu bellen, aber seine Laute klangen jetzt

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