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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zunehmend ängstlicher, und die Wut darin wich einem hellen, kehligen Jaulen.
    Ein dunkler, massiger Schatten huschte über den Hof. Noch einmal steigerte sich das Bellen des Hundes zu mörderischer Wut, um dann mit einem schrillen Heulen abzubrechen.
    Sekundenlang senkte sich eine tiefe, beinahe unnatürliche Stille über den Hof, dann flammte das Licht hinter der Haustür erneut auf, und der Mann erschien ein zweites Mal auf der flachen Treppe. Aber diesmal wirkte sein Gesichtsausdruck nicht verschlafen, sondern grimmig, und in der Rechten trug er eine doppelläufige Schrotflinte.
    »Irgendwas stimmt doch hier nicht«, murmelte er. »Rex? Rex, gib Laut!«
    Aber Rex schwieg.
    Der Mann zog die Tür hinter sich ins Schloss, schaltete eine Taschenlampe ein und ließ den gelben Lichtkreis methodisch über den Hof wandern.
    »Rex!«, rief er noch einmal. »Rex, du verdammter Köter, wo bist du?«
    Aber wieder antwortete ihm nur Stille und ein unheimliches Schweigen. Er ließ den Lichtstrahl der Taschenlampe über die rissige Wand der Scheune gleiten, starrte einen Moment misstrauisch auf die nur halb geschlossene Tür und leuchtete dann zur Hundehütte hinüber.
    »Rex?«, fragte er noch einmal. »Rex, gib doch Laut!«
    Er hob das Gewehr, ließ den Sicherungsflügel herumschnappen und ging, die Taschenlampe vorsichtig von rechts nach links und wieder zurückschwenkend, auf die Hundehütte zu. Ein dunkler, formloser Körper lag davor im aufgewühlten Boden.
    Der Mann keuchte entsetzt, als er den Hund sah - oder das, was von ihm übrig geblieben war. Rex würde nie wieder Laut geben. Der Hund war tot, wie von einer ungeheuren Gewalt regelrecht in Stücke zerrissen. Der Lehmboden rings um die Hütte war aufgeworfen und zerwühlt, als hätte ein fürchterlicher Kampf stattgefunden.
    Ein Geräusch durchbrach die Stille. Der Mann wirbelte herum, ließ vor Schreck beinahe seine Lampe fallen und riss das Gewehr hoch. Sein Finger krampfte sich um den doppelten Abzug.
    Aber vor ihm war nichts. Der Hof war leer, und was immer den Hund umgebracht hatte, war verschwunden. Das Geräusch hatte wohl nur in seiner Einbildung bestanden, ein Streich, den ihm seine überreizten Nerven gespielt hatten.
    Erleichtert, aber immer noch misstrauisch und voller mühsam unterdrückter Angst, ließ er die Schrotflinte sinken und beugte sich noch einmal über den toten Hund.
    Rex war ein großer, starker Hund gewesen, ein deutscher Schäferhund, dessen Gebiss selbst einem wütenden Stier Respekt eingeflößt hätte. Welches Ungeheuer war in der Lage, einen Hund wie Rex innerhalb weniger Augenblicke so zuzurichten?
    Plötzlich war die Angst wieder da, graue schleichende Panik, die wie eine erstickende Woge über dem Mann zusammenschlug. Er keuchte, fuhr herum und blickte mit schreckgeweiteten Augen über den Hof.
    Das Gewehr in seiner Hand kam dem Mann mit einem Male lächerlich und nutzlos vor, und die schwarzen Schatten auf dem Hof schienen plötzlich mit dunklem, dräuendem Leben erfüllt zu sein. Er spürte, wusste plötzlich ganz einfach, dass er nicht allein war. Irgendetwas war hier, unsichtbar und groß und tödlich.
    Noch einmal fiel sein Blick auf den toten Hund neben der Hütte. Er stutzte. Im ersten Augenblick hatte ihn der grässliche Anblick so sehr in seinen Bann geschlagen, dass ihm das grüne, schleimige Ding neben dem Hundekadaver gar nicht aufgefallen war - wahrscheinlich hatte er auch gar nicht allzu genau hingeschaut, damit ihm der Anblick der in den Boden geschmierten Innereien des toten Tieres nicht den Magen umdrehte. Nun überwand er seinen Ekel und ließ sich nach einem weiteren gehetzten Blick nach allen Seiten in die Hocke nieder.
    Mit dem Lauf der Schrotflinte berührte er vorsichtig das grünliche Ding. Es war lang, länger als ein normaler menschlicher Arm, dabei aber kaum fünf Zentimeter stark und mit einer Unzahl runder, mit messerscharfen Dreieckszähnen versehener Saugnäpfe übersät. Eine schleimige Flüssigkeit tropfte aus dem abgerissenen Ende, und als er es erneut mit dem Gewehrlauf anstupste, zuckte und vibrierte es, als lebe es noch.
    Der Mann stöhnte. Er wusste jetzt, woher die schrecklichen Wunden auf dem Körper des Hundes stammten. Eine Umarmung eines oder gar mehrerer dieser grauenhaften Krankenarme hätte selbst ein Mensch nicht überlebt.
    Vorsichtig stand er auf, beschrieb mit dem Gewehrlauf einen Halbkreis über den Hof und ging dann langsam zum Haus zurück. Sein Herz hämmerte zum Zerspringen. Zum

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