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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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umwenden und zu seinem Wagen zurückeilen. Aber dann zögerte er doch. Die Angst saß ihm wie eine eisige, würgende Hand im Nacken, aber er wusste auch, dass er vielleicht nie wieder eine Gelegenheit wie diese erhalten würde. Er ahnte, dass er der Lösung des Rätsels um Betty Malloys Tod sehr, sehr dicht auf der Spur war. Und schließlich - Monstrum hin oder her -, er wusste sich recht gut seiner Haut zu wehren, und die geladene Achtunddreißiger in seiner Jackentasche würde auch diesen Drei-Meter-Riesen stoppen, wenn es sein musste.
    Falls es nicht gerade ein Dämon war. Dann aber nutzte sowieso kein Weglaufen. Raven hatte da so seine Erfahrungen.
    Also hat mich der Fluch Ahasvers wieder einmal eingeholt, dachte er bitter. Wie lange muss ich wohl noch für die Sünden meines unseligen Vorfahren Nehemiah Oldham büßen?
    Er duckte sich hinter den Felsen, spähte sekundenlang aufmerksam zu dem zerbrochenen Steinkreis hinüber und rannte dann geduckt los. Es wurden die längsten dreißig Meter seines Lebens. Aber er erreichte den äußeren Steinkreis unbehelligt, warf sich mit einem gewagten Satz hinter eine Felssäule und blieb sekundenlang hocken, um Atem zu schöpfen. Dann kroch er, die entsicherte Waffe in der Rechten, auf Händen und Knien weiter.
    Das Ungeheuer stand reglos im Zentrum der Anlage. Ein geisterhaftes grünes Leuchten umspielte seinen grotesken Körper, und noch während Raven reglos dahockte und hinter seiner Deckung hervorspähte, begann es sich langsam um die Achse zu drehen und dabei helle, krächzende Laute auszustoßen.
    Raven unterdrückte einen entsetzten Aufschrei, als er das Gesicht des Dinges sah. Das Wesen besaß ein einziges, riesiges rotes Auge ohne sichtbare Pupille oder Iris, eigentlich nur ein ausgefranstes Loch mit eitrig wirkenden Rändern, in denen halb geronnenes Blut zu wabern schien. Ein grausiger, scharfkantiger Papageienschnabel, der kräftig genug erschien, einen Menschen mit einem einzigen Biss zu zerteilen, ragte dicht unterhalb des Auges aus dem Schädel, und in der Brust des Monstrums klaffte ein langer, gezackter Riss, aus dem eine wässrige Flüssigkeit hervortropfte.
    Raven stöhnte. Übelkeit stieg in ihm empor, und für einen Moment musste er mit aller Macht gegen den Drang ankämpfen, die Pistole hochzureißen und abzudrücken, immer und immer wieder, dieser Scheußlichkeit das ganze Magazin in den Leib zu jagen. Aber er beherrschte sich. Es nutzte ihm nicht, wenn er versuchte, das Monstrum umzubringen. Eine bange Ahnung, dass er hier nur den Anfang einer grausigen Entwicklung beobachtete, stieg in ihm empor.
    Und da war noch etwas.
    Mit einem Mal hatte er das Gefühl, hier etwas nicht völlig Unbekanntem gegenüberzustehen. Natürlich hatte er nie ein Monster wie dieses zu Gesicht bekommen - niemand hatte das -, aber er glaubte, sich zumindest an ein Bild, eine Vision von Wesen dieser Art zu erinnern. Woher nur? Woher nur?
    Das Wesen bewegte sich auf eine seltsame, kaum zu beschreibende Weise. Es stand jetzt genau im geometrischen Zentrum des U-förmigen Innenbereichs. Und plötzlich geschah etwas Seltsames.
    Eine Art körperlose Dunkelheit begann sich vor dem Monstrum zusammenzuballen, Nebel, schwarzer, lichtfressender Nebel, der sich in Sekunden zu einem rechteckigen, schwarzen Block formte und schließlich zu einem Stein materialisierte, der Raven auf unangenehme Art an einen Altar - oder besser gesagt: an einen Opferstein - erinnerte.
    Und auch das Wesen selbst begann sich zu verändern. Eben noch ein schleimiger, unförmiger Klumpen organischer Masse, begannen sich nun Muskeln und Sehnen zu bilden. Für Sekunden glaubte Raven eine riesige, behaarte Fledermaus erkennen zu können. Doch die Verwandlung ging noch weiter. Der schreckliche Körper schrumpfte zusammen, schmolz wie weicher Wachs unter der Sonne und nahm langsam menschenähnliche Konturen an. Nach wenigen Augenblicken stand ein normaler, hochgewachsener Mann neben dem schwarzen Opferstein. Gleichzeitig erlosch das grüne Leuchten.
    Raven atmete unwillkürlich auf.
    Natürlich wusste er, dass die Gefahr nicht vorüber war, aber allein das Verschwinden des grauenhaften Wesens ließ den eisernen Ring um seine Brust, der ihm in den letzten Minuten die Luft abgeschnürt hatte, ein Stückchen weiter werden. Trotzdem blieb der Privatdetektiv hinter seiner Deckung hocken und beobachtete, was weiter geschah.
    Der Mann blieb noch einen Augenblick lang reglos stehen, ging dann einmal um den schwarzen Stein

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