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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zusammenschlug, erwachte er aus seiner Starre.
    Aber seine Reaktion kam zu spät. Ein zweiter Arm zuckte vor, entriss ihm die Waffe und brach sie wie ein Streichholz entzwei.
    Der grässliche Papageienschnabel des Monsters klappte auf. Übel riechender Atem schlug dem Mann ins Gesicht, ließ ihn keuchen. Er wand sich, strampelte verzweifelt mit den Beinen und stemmte sich trotz der Schmerzen gegen die Umklammerung des Albtraumwesens.
    Dann schien irgendetwas in seinem Innern zu zerbrechen. Die Schmerzen verschwanden wie abgeschaltet, und mit ihnen wich jeder Widerstandswille aus ihm. Seine Arme sanken schlaff herab, und sein Gesicht nahm einen leeren, puppenhaften Ausdruck an.
    Das Letzte, was er bewusst wahrnahm, war das Gesicht einer Frau, das sich an die Scheibe eines der Fenster zum Hof presste. Irgendwann hatte er diese Frau einmal gekannt, aber jetzt wusste er ihren Namen nicht mehr, wusste nicht einmal mehr, was ihn je mit ihr verbunden hatte.
    Das Gesicht der Frau war in unsäglichem Grauen verzerrt, ihr Mund klaffte weit auf und schrie, schrie, schrie. Er begriff nicht, warum er bei diesem Anblick wieder und wieder dachte: Wäre sie doch bloß weggelaufen, und so etwas wie vage Traurigkeit empfand.
    Während er zu Boden sank und es ihm schwarz vor Augen wurde, hörte er noch, wie sich der Schrei in unmenschliche Höhen steigerte und dann mit erschreckender Plötzlichkeit abbrach.
    Danach war nichts mehr.
    »Sagen Sie mal, glauben Sie eigentlich, Sie könnten mich für dumm verkaufen?«, erkundigte sich Jeff Target aufgebracht. »Das, was Sie mir da erzählt haben, ist doch völliger Blödsinn. Wollen Sie allen Ernstes behaupten, ein Dämon oder Ungeheuer hätte meine Schwester umgebracht? Mensch, Raven, ich glaube, Sie haben heute Nacht schlecht geträumt.«
    Raven starrte ihn düster über den kleinen Tisch hinweg an. Sie saßen sich im gemütlichen Frühstücksraum der Gastwirtschaft gegenüber, aber im Augenblick dachte keiner der beiden Männer daran, dem reichlichen, typisch britischen Frühstück zuzusprechen.
    »Ich wollte, es wäre so«, sagte der Privatdetektiv nach einer Weile. »Aber leider war es kein böser Traum. Ich hab sowieso kaum ein Auge zugemacht.« Seine rotgeränderten Augen legten Zeugnis dafür ab, dass er die Wahrheit sprach. Widerwillig führte er die wuchtige Porzellantasse an den Mund und zwang sich, wenigstens einen Schluck von dem heißen, starken Tee zu nehmen, um etwas wacher zu werden. »Ich glaube fest daran, dass dieses Monstrum Ihre Schwester ermordet hat, auch wenn ich den Grund dafür jetzt noch nicht kenne. Und außerdem bin ich davon überzeugt, dass es sich bei dem Wesen um niemanden anderes als diesen mysteriösen Barry Lamb handelt. Da ich es auch in Menschenform gesehen habe, wird sich zumindest das einwandfrei feststellen lassen.«
    Jeff Targets Gesicht nahm einen Ausdruck an, den man nur noch als mörderisch bezeichnen konnte.
    »Ich finde«, sagte er eisig, »dass Sie sich da einen sehr, sehr schlechten Scherz erlauben. Besonders angesichts der Tatsache, dass vor kaum mehr als ein paar Tagen meine kleine Schwester ums Leben gekommen ist, und das unter sehr hässlichen Umständen. Ich weiß nicht, was Sie damit bezwecken, aber ich bin nicht bereit, so etwas einfach hinzunehmen. Sie sind entlassen!« Er schüttelte müde den Kopf. »Bisher hatte ich immer viel auf das Urteilsvermögen der Devlins gegeben. Aber in Ihnen scheinen sie sich wohl getäuscht zu haben.«
    Raven hatte Jeff Targets Ausbruch völlig unbewegt über sich ergehen lassen, aber als der Name »Devlin« fiel, griff er das Stichwort sofort auf. Er war nicht unbedingt begierig darauf, weiter in Targets Diensten zu bleiben, aber wenn er diesen Mann auch noch gegen sich hatte, dann blieb ihm niemand mehr, der mit ihm gemeinsam die Bürde des Kampfes gegen die dämonischen Thul Saduum tragen konnte. Er musste ihn ganz einfach von der Wahrheit seiner unglaublichen Geschichte überzeugen, denn ohne einen Verbündeten waren seine Chancen noch viel schlechter.
    Unendlich klein, um präzise zu sein.
    »Sie glauben nicht an die Existenz des Übersinnlichen, nicht wahr?«, begann er vorsichtig. »Und Sie kennen mich nicht gut genug, um mich für einen zuverlässigen Zeugen zu halten. Aber was wäre, wenn ich Ihnen zwei vertrauenswürdige Zeugen benennen könnte, die zwar nicht dieses Monstrum gesehen, dafür aber bei anderer Gelegenheit das Wirken übernatürlicher Mächte mit eigenen Augen beobachtet

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