Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
haben keine Chance!«
Card schüttelte verbissen den Kopf. »Ich will diese Bestie haben«, sagte er leise und entschlossen. »Sie hat fünf Menschen auf dem Gewissen.«
»Und Sie ein paar weitere, wenn Sie die Männer nicht zurückrufen. Ihre Waffen nutzen ihnen nichts gegen den Dämon.«
Card versuchte sich loszureißen, aber Jeff hielt ihn mit eisernem Griff zurück. »Seien Sie vernünftig, Card. Ich will dieses Ungeheuer genauso vernichten wie Sie, aber lassen Sie mich alleine ins Haus eindringen.«
Card schürzte trotzig die Lippen. »Und wie wollen Sie vorgehen?«
»Das weiß ich noch nicht«, sagte Jeff ehrlich. »Aber jedenfalls nicht so, dass ich unschuldige Männer in den Tod hetze!«
Wie um seine Worte zu unterstreichen, ertönte von der anderen Seite des Hauses ein gellender Schrei, gefolgt von dem typischen Krachen und Prasseln, mit dem trockenes Holz Feuer fängt.
»Okay, Target«, sagte Card schließlich gepresst. »Sie sind genauso ein Starrkopf wie Raven. Versuchen Sie es. Aber ich komme mit!«
Jeff atmete hörbar ein, spannte sich und federte dann mit einem kraftvollen Satz an Card vorbei ins Haus. Der brennende Türrahmen tauchte den Flur in flackerndes, unheimliches Licht, und aus dem rückwärtigen Teil des Gebäudes drangen dumpfe Kampfgeräusche.
»Barlaam!«, schrie Jeff. »Hör auf! Lass die Männer in Ruhe! Ich bin hier!«
Wieder erschütterte ein dumpfer Schlag das Haus, und der Feuerschein von jenseits der Tür wurde heller. Aber die Kampfgeräusche waren verstummt.
»Ich bin hier, Barlaam!«, sagte Jeff noch einmal. »Komm schon. Du wolltest mich doch, oder?«
Seine Finger krampften sich um den Griff des Schießeisens. Er wusste, wie wenig ihm die Waffe gegen den Dämon nutzte, aber vielleicht konnte ein gezielter Schuss im rechten Augenblick ein wirkungsvolles Ablenkungsmanöver sein.
Jeffs Gedanken überschlugen sich. In der schräg in den Angeln hängenden Verbindungstür zum Wohnraum erschien ein monströser, bizarr verzerrter Schatten, und der morsche Holzboden unter seinen Füßen erzitterte unter den stampfenden Schritten eines mächtigen Körpers.
Jeff Target war sich darüber im Klaren, dass er in einer Falle saß. Der Flur war lang und schmal und bot so gut wie keine Deckung. Eine steile, schon halb verrottete Holztreppe führte ins Dachgeschoss hinauf. An ihrem oberen Ende stand, schräg an die Wand gelehnt, ein riesiger, halb blinder Spiegel.
»Du bist also gekommen«, murmelte Barlaam.
Jeff fuhr herum. Der Dämon war unter der Tür erschienen und starrte ihn mit unverhohlenem Hass an. Er hatte seine wahre Gestalt angenommen: ein mehr als drei Meter hoher, tentakelbewehrter Koloss aus einer anderen Welt, dessen Schultern an beiden Seiten die Wände berührten und unter dessen Gewicht der Boden einsackte. Er blutete aus unzähligen Wunden. Aber Jeff hatte ja schon eine Kostprobe von der unglaublichen Regenerationsfähigkeit des Dämons erhalten. Noch während Barlaam in den Flur hinaustrat und langsam auf ihn zukam, begannen sich die Schusswunden bereits wieder zu schließen.
»Du bist wirklich gekommen«, sagte Barlaam noch einmal mit beinahe ungläubiger Stimme. »Ich weiß nicht, was ich mehr bewundern soll, Mensch, deinen Mut oder deine Dummheit. Du weißt, dass ich dich TÖTEN werde. Du hast meine Pläne zunichte gemacht.«
Jeff wich Schritt für Schritt zurück. Seine Blicke tasteten verzweifelt über die Wände und suchten nach einem Ausweg. Er musste das Monster irgendwie aus dem Haus locken. Vielleicht war die konzentrierte Feuerkraft ihrer Waffen zusammen groß genug, um es zu TÖTEN. Hier drinnen hatten sie keine Chance.
»Betrogen«, zischte Barlaam wie im Selbstgespräch. »Ich wurde betrogen.«
»Betrogen?«, fragte Jeff hastig. »Es war ein fairer Kampf, Barlaam.«
Der Dämon schien seine Worte gar nicht wahrzunehmen. »Betrogen«, wiederholte er. Seine Tentakel peitschten in sinnloser Wut durch die Luft und zertrümmerten die herumstehenden Möbel. »Alles umsonst. All die Millionen Jahre des Wartens ...«
Jeff hatte die Treppe erreicht. Er blieb stehen, tastete mit dem Fuß nach der untersten Stufe und begann, rückwärts gehend die Treppe emporzusteigen, ohne das Monster auch nur eine Sekunde aus dem Auge zu lassen.
»Warum bist du gekommen, Jeff Target?«, fragte Barlaam. Auf einmal wirkte er wieder klarer bei Verstand. »Du weißt, was dich erwartet.«
Jeff atmete schwer. »Ich musste es tun. Du - du hättest mich so lange gejagt,
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