Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
über den zundertrockenen Boden auf ihn zu, züngelten an den Wänden empor und schlugen nach dem strohgedeckten Dach.
Jeff wich keuchend zur gegenüberliegenden Wand der winzigen Kammer zurück. Die Luft wurde bereits stickig und so heiß, dass jeder Atemzug in seinen Lungen brannte.
Das Haus bebte. Irgendwo unter ihm brach eine Wand zusammen, dann neigte sich ein Stück des Fußbodens, zerbrach knisternd in Tausende von Stücken und regnete ins Erdgeschoss herab. Grelle Glut drang durch das Loch. Die Hitze steigerte sich ins Unerträgliche.
Jeff fasste einen verzweifelten Entschluss.
Er stieß sich von der Wand ab, federte in den Knien ein und sprang dann mit aller Kraft nach oben. Seine Hände krallten sich um einen Dachbalken, zerfetzten das trockene Stroh des Daches und schufen ein immer größer werdendes Loch, während die Flammen bereits gierig nach seinen Beinen leckten und seine Hose in Brand setzten.
Endlich hatte er es geschafft. Mit einer letzten, verzweifelten Anstrengung zog er sich auf das Dach hinaus, rollte über die Schulter ab und ließ sich ohne zu zögern in die Tiefe fallen.
Hinter ihm fing das Strohdach mit der Gewalt einer Explosion Feuer.
Dann schlug er auf dem Boden auf und verlor das Bewusstsein.
Diesmal war es Card, der ihn in die Wirklichkeit zurückholte. Jeff konnte nicht lange bewusstlos gewesen sein, denn als er die Augen aufschlug, blickte er vom Waldrand direkt auf das brennende Haus. Selbst hier war die Glut kaum zu ertragen.
Sein Gesicht, seine Hände und seine Beine schmerzten höllisch, und er stöhnte gequält, als Card ihm auf die Füße half.
»Alles in Ordnung?«, fragte der Inspektor.
»Ja. Es - es geht. Was ist mit Barlaam?«
Card ließ seinen Arm los und deutete schweigend auf eine verkrümmt daliegende Gestalt, die sich vor dem Haus nur als dunkler Schatten abzeichnete.
»Er stirbt«, sagte er leise.
»Heißt das, dass er jetzt noch am Leben ist?«, fragte Jeff ungläubig.
Card nickte. Er wirkte blass, und seine Stimme zitterte merklich, als er antwortete. »Ja, aber nicht mehr lange.« Er zögerte, sah Target mit einem seltsamen Blick an und fügte hinzu: »Er möchte Sie sprechen, glaube ich.«
Jeff starrte dem Inspektor ungläubig ins Gesicht, zuckte dann mit den Achseln und ging schwankenden Schrittes auf den Dämonen zu.
Zu seiner Überraschung hatte sich Barlaam erneut verwandelt und wieder menschliche Gestalt angenommen. Aber er war kaum mehr als der Mann zu erkennen, der er einmal gewesen war. Sein Anzug war verkohlt, Hände und Gesicht von Brandwunden entstellt, und als er Jeffs Schritte hörte und die Augen aufschlug, sah Target, dass er blind war. In seinen toten Pupillen glomm ein gespenstisch bernsteingelbes Licht.
»Jeff Target?«, fragte Barlaam leise.
Jeff nickte, kniete neben dem Sterbenden nieder und berührte ihn an der Schulter. »Ja«, sagte er.
Barlaams zerstörtes Gesicht verzog sich zu einer schrecklichen Karikatur eines Lächelns. »Du ... du warst ein würdiger Gegner«, keuchte er. »Aber es kann immer nur einer gewinnen, nicht wahr?«
Jeff atmete hörbar ein. Obwohl dieses Wesen zu seinen Füßen ein Killer war, der zudem sogar seine Schwester Betty ermordet hatte, überkam ihn doch ein seltsames Gefühl. Trotz allem war Barlaam ein lebendes Wesen - sogar ein Mensch, wie Jeff plötzlich begriff. Jetzt, jetzt erst sah er den Unheimlichen in seiner wahren Gestalt. Barlaam war nie einer der Thul Saduum gewesen!
»Ich ... ich warne dich, Jeff Target«, keuchte Barlaam. »Wir waren Todfeinde, aber du hast mich in einem fairen Kampf besiegt, und deshalb werde ich dir etwas verraten. Ich bin ... betrogen worden. Einst war ich ein Magier von Maronar, aber die Thul Saduum nahmen mich in ihre Dienste. Die ganze Zeit über habe ich gewartet, geduldig gewartet und auf eine Gelegenheit gehofft, meine Herren zu befreien.«
»Aber es ist dir nicht gelungen«, sagte Jeff, erschüttert von Barlaams Eröffnungen.
Barlaam nickte. »Doch, Jeff Target. Sieben der Mächtigsten konnten entkommen, bevor sich das Siegel erneuerte.«
Jeff keuchte entsetzt auf. »Das heißt ... sie sind frei?«, stöhnte er. »Die Thul Saduum sind frei?«
»Nicht alle«, antwortete Barlaam schwach. Seine Stimme wurde immer leiser und verlor zunehmend an Kraft. »Nur sieben. Aber hüte dich, Jeff Target. Jeder der sieben ist mächtig genug, um euch alle ins Verderben zu stürzen. Noch sind sie schwach, von der langen Gefangenschaft entkräftet. Aber sie werden
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