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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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er weiter, direkt auf die große Gruft im Zentrum des Friedhofs zu. Als er noch knapp zwei Dutzend Yards von ihr entfernt war, blieb er plötzlich erschrocken stehen. Leise Geräusche drangen an sein Ohr, ein dumpfes Hämmern, durchsetzt mit schrillen, disharmonischen Lauten.
    Raven zog seine Pistole und entsicherte sie. Offenbar hatte seine Auftraggeberin tatsächlich nicht gesponnen, auch wenn er vermutete, dass ihre vermeintlichen Geister und Vampire sich als ein paar ganz normale Halbstarke entpuppen würden, die hier als eine Art Mutprobe eine kleine morbide Freiluftparty abhielten. Möglicherweise ja sogar so etwas wie eine Orgie. Aber man konnte nie wissen, sicher war sicher. Auch eine Begegnung mit ein paar jugendlichen Rowdys musste nicht zwangsläufig harmlos sein.
    Als er sich der Gruft weiter genähert hatte, sah er schwaches, flackerndes Licht, das durch einige der Risse in den Seitenwänden drang. Auch die Geräusche waren lauter geworden, ein dumpfes Trommeln, dazwischen immer wieder die disharmonischen Akkorde, und alles unterlegt mit einem rhythmisch wummernden Bass, der wie das schwere Schlagen eines Herzens klang. Ob man die furchtbaren Laute wirklich als Musik bezeichnen konnte, darüber ließ sich wohl schwerlich streiten, aber auf jeden Fall passten sie zu seiner Vorstellung von Jugendlichen, die sich nachts auf Friedhöfen herumtrieben.
    Raven trat dicht an den breitesten der Risse in einer Seitenwand des Gebäudes heran und spähte hindurch.
    Das Innere der Gruft wurde von mehreren Grableuchten in roten Plastikbechern schummrig erleuchtet, die auf dem Boden und den steinernen Sarkophagen entlang der Wände standen. Die Geräusche drangen aus einem Ghettoblaster in einer Ecke.
    Sieben Menschen hielten sich in dem Raum auf, aber Ravens Hoffnung, womöglich Zeuge einer Orgie zu werden, erfüllte sich nicht, obwohl einige der Gestalten sich geradezu ekstatisch hin und her bewegten. Alle waren sie in lange dunkle Gewänder mit über den Kopf gezogenen Kapuzen gehüllt und trugen zusätzlich Masken vor den Gesichtern.
    An der Stirnwand des Raumes hing ein verkehrt herum aufgehängtes Kreuz. Einer der Unbekannten stand mit beschwörend erhobenen Armen davor und rezitierte mit eindrucksvoller Stimme einen lateinischen Text, aus dem Raven immer wieder Begriffe wie Asmodeus, Satanas, Daemoni und dergleichen mehr heraushörte.
    Es gab keinen Zweifel, er war Zeuge einer Teufelsmesse, wie sie in gewissen Kreisen immer noch in war. Zum Glück handelte es sich dabei fast immer nur um einen zwar makaberen, aber harmlosen Unfug. Zu einer echten Beschwörung gehörte mehr als ein bisschen Hokuspokus, ein paar Sprüche aus »garantiert authentischen Zauberbüchern«, die irgendein Schreiberling zusammengeschmiert hatte, um verblödeten Okkultismus-Fans das Geld aus der Tasche zu ziehen, und eventuell noch ein paar Tropfen Blut.
    Leider bot genau diese Underground-Szene aber auch einen idealen Nährboden für echte Magier, die hier willfährige Opfer für echte Dämonenanbetungen fanden und damit unter Umständen immense Schrecken heraufbeschworen.
    Nun, diese Gefahr drohte hier wohl nicht. Es genügte Raven, die Zeremonie eine knappe Minute lang zu beobachten, dann gab es für ihn keinen Zweifel mehr, dass er es hier lediglich mit einer inszenierten Show zu tun hatte.
    Vermutlich wäre es das Sinnvollste, wenn er von hier verschwand und die Polizei benachrichtigte, damit diese sich um die Teufelsanbeter kümmerte. Auch wenn es für sie nur ein Nervenkitzel sein mochte, so handelte es sich doch um eine Friedhofsschändung. Eine Nacht in einer Zelle würde ihnen womöglich die Lust auf weitere Vergnügen dieser Art rauben.
    Trotzdem entschied er sich nach kurzem Zögern anders. Aufgrund der Masken und Gewänder konnte er nicht erkennen, wie alt die Unbekannten waren. Vielleicht betrachteten sie dies wirklich nur als einen harmlosen Spaß, und er wollte nicht die Verantwortung dafür tragen, dass sie durch eine Verhaftung erst richtig auf die schiefe Bahn gerieten.
    Raven trat von dem Riss zurück und näherte sich der Eingangstür der Gruft. Sie war nur angelehnt, aber wie er feststellte, war das Schloss wenigstens nicht aufgebrochen, sondern offenbar mit einem Dietrich geöffnet worden.
    Mit einem Tritt sprengte er die Tür ganz auf. Der selbsternannte Teufelspriester verstummte mitten im Wort. Seine Jünger hörten auf sich ekstatisch hin und her zu wiegen. Erschrocken wandten alle ihre Blicke Raven zu.
    »Hallo

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