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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Melissa McMurray und Stig Lundgren, und hinter diesen Gesichtern sah er einen klaren Himmel mit einer strahlenden Sonne darin.
    Es war helllichter Tag, und er lag auf einer Wiese. Vom Nebel war keine Spur mehr zu sehen.
    »Was ...?«, brachte er krächzend hervor.
    »Du warst fünfzehn Stunden da drinnen, Raven«, sagte der Chef von Riksmordkommissionen leise. »Fünfzehn Stunden. Was, um alles in der Welt, ist in dieser Zeit passiert?«
    Raven schüttelte benommen den Kopf. Versuchte, sich zu erinnern.
    Hatte er wirklich wahrgenommen, dass zwischen dem schwarzen Wurm, dem Meisterschädel und Sören Andersson einer jener Lichtimpulse hin- und hergezuckt war, aus denen früher das magische Netz gewoben gewesen war? Und war tatsächlich ein Kristallschädel nach dem anderen mit einem leisen Sirren zersprungen und hatte sich zu wehenden Staubschleiern aufgelöst, die langsam zu Boden sanken?
    Ja, so musste es gewesen sein. Und wenn sich alles so ereignet hatte, dann musste auch die Reihe fürchterlicher Schreie Wirklichkeit gewesen sein, die sich aus der Kehle Sören Anderssons entrungen hatten, als dieser mit weit aufgerissenen Augen und wie ein Irrer um sich schlagend aus dem Pentagramm herausgetaumelt war.
    Und diese grässlichen Schreie hörte Raven jetzt immer noch!
    Mit unendlicher Mühe schob er Melissa und Stig beiseite, setzte sich auf und drehte sich um. Das Erste, was er sah, war Harald Münzschläger, um dessen Handgelenke sich gerade Handschellen schlossen. Dann erst erblickte er den Urheber der Schreie - Sören Andersson, der von vier kräftigen Beamten zugleich gebändigt werden musste.
    Er brüllte und tobte, wie Raven es noch nie bei einem Menschen erlebt hatte. Sein Gesicht war zu einer Maske unbeschreiblichen Grauens verzerrt, und einen Augenblick lang hatte Raven das Gefühl, dass sich durch die muskulären Krämpfe sogar die Proportionen seines Gesichts verändert hatten, was natürlich nicht wirklich der Fall sein konnte.
    Dann vergaß Raven diesen Gedanken wieder. Zu sehr schlug ihn der Anblick des Herrenhauses von Godsby in seinen Bann.
    Denn das Herrenhaus brannte lichterloh, und der Rauch, der in einer dicken schwarzen Säule darüber aufstieg, erinnerte ihn auf entsetzliche Weise an jenes wurmartige Etwas, das er in der Mitte des Pentagramms gesehen hatte und das jetzt hoffentlich ein für alle Mal in die Hölle zurückgefahren war, aus der es die nun vernichteten Magier von Maronar heraufbeschworen hatten.
    Wenn ein gemeingefährlicher, tobender Wahnsinniger in eine Nervenheilanstalt eingeliefert wird, gehört es zu den üblichen Verfahren, seinen Schädel zu röntgen, um etwaige Gehirnverletzungen oder Tumore auszumachen, die seine Persönlichkeitsveränderung bedingt haben könnten. Im Falle Sören Anderssons allerdings wurde diese Routineuntersuchung nie durchgeführt. Die Ärzte vergaßen sie ganz einfach - aber nicht aus freien Stücken.
    Wäre die Röntgenaufnahme angefertigt worden, hätten sie sich auch nicht länger über Sören Anderssons grenzenlose Raserei gewundert. Denn dann wäre deutlich geworden, dass jene Vereinigung mit seinem Alter ego, die Sören so sehr gefürchtet hatte, am Ende doch noch Wirklichkeit geworden war.
    Sören Anderssons Schädel bestand nämlich nicht länger aus gewöhnlicher Knochensubstanz, sondern aus reinem, massivem Kristall.
    Dem Kristall des Meisterschädels von Maronar ...

Dritter Teil
    IM TURM DER
LEBENDEN TOTEN

 
    D er Rauch, der schwer und grau in der herbstlichen Luft hing, roch nach Tod und Unheil.
    Ein kaum merklicher Wind trieb ihn durch die blattlosen, dicht ineinander verflochtenen Skelettfinger der Bäume zu den beiden Gestalten hin, die droben auf dem Hügelkamm standen, bloße Silhouetten gegen den rotgoldenen Ball der langsam untergehenden Sonne. Eine der beiden Gestalten, ein hagerer alter Mann, stützte sich schwer auf einen handgeschnitzten Knotenstock, dessen Griff er mit gichtigen, greisenhaft dürren Fingern umklammerte. Sein gekrümmter Rücken zeichnete sich unter dem groben Stoff seines grauen Umhangs wie ein Buckel ab. Als er sich mühsam vorbeugte, um mit seiner Habichtsnase die heranwallenden Rauchwolken zu prüfen, meinte man fast, seine Knochen wie abgestorbene alte Äste im Wind knarren zu hören.
    »Da brennen Menschen«, sagte der Alte mit trockener, flüsternder Stimme. »Sprich, Junge. Erzähle mir, was du siehst!«
    Sein Begleiter - mehr ein Knabe als ein Mann - hob die rechte Hand schützend über die Augen und

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