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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Pensionen hier.«
    Raven seufzte. »Es geht nicht. Wir konnten uns diese zwei Wochen schon nicht leisten, geschweige denn drei.«
    Janice wusste genau, dass er von ihr kein Geld annahm. Die Tatsache, dass sie quasi umsonst für ihn arbeitete und mehr als einmal ihren gemeinsamen Lebensunterhalt finanziert hatte, störte ihn schon genug. Raven war in dieser Beziehung altmodisch.
    »Es geht gar nicht um die Woche, für die wir bezahlen müssen«, sagte er. »Aber ich muss langsam wieder arbeiten, vergiss das nicht.«
    Janice antwortete nicht. Aber der Blick, den sie ihm zuwarf, drückte genug aus. Das, was Raven als Arbeit bezeichnete, bestand im Grunde aus tatenlosem Herumsitzen hinter einem leeren Schreibtisch. Zu behaupten, dass seine Privatdetektei schlecht lief, wäre geschmeichelt. Sie lief überhaupt nicht. Natürlich kamen von Zeit zu Zeit Klienten, aber das bisschen, was er verdiente, reichte kaum aus, um die Miete zu zahlen und seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Dabei hatte er durchaus Talent. Er war ein guter Detektiv. Alles, was ihm fehlte, war ein wenig Glück. Aber darauf wartete er jetzt schon seit Jahren.
    Er stand auf. »Es wird dunkel«, sagte er. »Gehen wir zur Pension zurück.«
    Janice erhob sich schweigend und folgte ihm. Er spürte, dass sie verärgert war, aber das würde sie nie zugeben.
    Sie überquerten den Strand, der um diese Tageszeit fast menschenleer war, gingen die Dünen empor und traten auf die Straße. Die Pension lag nur wenige hundert Schritte vom Strand entfernt - ein kleiner, gedrungener Bau im Stil des siebzehnten Jahrhunderts, der nur vier oder fünf Fremdenzimmer hatte. Jetzt, im Herbst, hatten Raven und Janice die Pension praktisch für sich. Die Saison war längst vorüber. In zwei, drei Wochen würde die Pension ganz schließen und erst im Frühjahr wieder aufmachen. Sie würden ein Dutzend Zimmer bekommen, wenn sie wollten - aber Raven wollte nicht. Obwohl er genau wusste, dass in London nur ein leerer Schreibtisch auf ihn wartete, fieberte er danach, wieder zurückzufahren. Schließlich gab es immer noch die Möglichkeit, dass ausgerechnet jetzt der große Fall auf ihn wartete. Jedenfalls redete er sich das ein.
    Der Aufenthaltsraum im Erdgeschoss war leer, als sie die Pension betraten. Im Kamin brannte ein flackerndes Feuer, und aus verborgenen Lautsprechern drang leise Musik.
    Raven warf seinen Mantel über den Kleiderständer, schlenderte zum Kamin hinüber und ließ sich in einen Sessel fallen. Er war müde. Die Seeluft und die stundenlangen Spaziergänge, mit denen sie die meiste Zeit der vergangenen vierzehn Tage verbracht hatten, forderten ihren Tribut. Er gähnte, griff sich eine der herumliegenden Zeitungen und begann gelangweilt, darin zu blättern. Aber er sah die Schrift kaum. Die Buchstaben tanzten wild vor seinen Augen auf und ab und weigerten sich hartnäckig, einen Sinn zu ergeben.
    Janice trat an den Kamin und hielt die Hände über die Flammen. Er konnte ihre Verärgerung spüren, ohne sie anzusehen.
    Und er fühlte sich mies. Er wusste, dass er ihr gründlich die Freude verdorben hatte. Dabei gab es, logisch betrachtet, keinen Grund, sofort nach London zurückzukehren.
    Aber seine Weigerung hatte auch nichts mit Logik zu tun. Es war etwas Anderes. Ein seltsames Gefühl der Unruhe, das sich seit dem vergangenen Abend in ihm breitgemacht hatte. Etwas, das er nur gefühlsmäßig erfassen, nicht aber in Worte kleiden konnte. Gestern Abend, vor dem Einschlafen, hatte er es zum ersten Mal bemerkt. Es war eine Spannung, die sich von einem Augenblick zum anderen in ihm aufgebaut hatte, das Gefühl, dass irgendetwas geschehen würde.
    Unruhe? Vielleicht war das Wort falsch, aber es kam der Sache doch schon recht nahe. Er war nervös, und er hatte plötzlich Angst. Aber das konnte er Janice unmöglich erklären. Er konnte es sich ja nicht einmal selbst erklären.
    »Ich bestelle mir etwas zu trinken«, sagte Janice. »Möchtest du auch etwas?«
    Raven nickte, ohne sie anzusehen.
    Janice drehte sich um, warf ihm einen undefinierbaren Blick zu und verschwand mit schnellen Schritten im Durchgang zur Küche.
    Raven ließ die Zeitung sinken und starrte die geschlossene Tür nachdenklich an.
    Vielleicht, dachte er sarkastisch, bin ich wirklich der geborene Versager. Vielleicht sollte ich mir einen normalen Beruf suchen. Einen Job, mit dem ich meine Familie ernähren kann und mit dem ich mich nicht wie ein Ungeheuer benehmen muss, wenn meine Frau sich etwas

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