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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Sues ausgestreckter Arm wies. Im ersten Moment konnte er nichts außer dräuenden Wolken und der spiegelglatten Fläche des Ozeans erkennen, aber dann sah auch er, was sie meinte. Über dem Horizont war eine Anzahl kleiner schwarzer Punkte erschienen. Zuerst waren sie kaum sichtbar. Aber sie rasten mit erstaunlicher Geschwindigkeit heran. Das Tempo, mit dem sie sich fortbewegten, musste ungeheuer sein.
    Er ließ das Ruder los, schaltete die automatische Steuerung ein und langte nach dem Feldstecher, der griffbereit auf dem Armaturenbrett lag.
    »Können es Flugzeuge sein?«, flüsterte Sue. »Aber so tief? Und warum hört man nichts?«
    Frank presste den Feldstecher an die Augen, suchte den Horizont ab und drehte an der Schärfeneinstellung.
    Was er sah, ließ ihn entsetzt die Luft anhalten.
    Die dunklen Punkte waren keine Flugzeuge.
    Es waren auch keine Vögel, keine Schiffe, keine niedrig hängenden Wolken.
    Es waren - Reiter!
    Frank starrte das Phänomen eine Zeit lang fassungslos an, setzte dann den Feldstecher ab und reichte ihn an Sue weiter.
    »Sieh selbst«, sagte er mit zitternder Stimme. »Ich glaube, ich bin soeben verrückt geworden.«
    Sue warf ihm einen seltsamen Blick zu, hob dann das Glas an die Augen und erstarrte.
    »Aber das - das gibt es doch nicht«, wisperte sie entsetzt. »Das ist doch unmöglich!«
    Frank lachte nervös. Er spürte, wie eine Welle der Hysterie in ihm emporschwappte und das bisschen Selbstbeherrschung und logische Überlegung, das ihm noch geblieben war, endgültig davonzuschwemmen drohte.
    Die Reiter näherten sich in unglaublichem Tempo. Sie waren jetzt so nahe, dass er sie auch ohne Glas bereits deutlich erkennen konnte - ein Dutzend dunkler, massiger Gestalten, die mit den Körpern ihrer Pferde verwachsen zu sein schienen und dicht über der Wasseroberfläche dahinpreschten. Er verlängerte den Kurs der Gruppe in Gedanken. Wenn sie die eingeschlagene Richtung beibehielten, würden sie die CAVALLO um nicht einmal eine halbe Seemeile verfehlen.
    Sue setzte das Glas ab. Ihre Hände zitterten, und ihre Augen waren angstvoll geweitet. Sie war totenbleich.
    »Was? Was ist das, Frank?«, fragte sie tonlos.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Frank, ohne den Blick von den bizarren Gestalten zu nehmen. »Vielleicht eine Halluzination ...« Natürlich glaubte er selbst nicht an seine Worte. Aber irgendetwas musste er sagen, wenn er nicht vollkommen verrückt werden wollte.
    Die Gruppe war jetzt noch etwas mehr als eine Seemeile von der Position der CAVALLO entfernt. Frank konnte erkennen, dass die Erscheinungen tatsächlich wenige Zoll über der Wasseroberfläche dahinpreschten. Die Hufe der Pferde berührten das Meer nicht. Aber dafür war jetzt ein dumpfes, hämmerndes Dröhnen zu hören, ein Geräusch, das ganz so klang, als galoppiere eine Reiterhorde über harten Boden.
    Frank erwachte plötzlich aus seiner Erstarrung.
    »Den Fotoapparat!«, befahl er scharf. »Schnell! Hol den Apparat aus der Kabine! Wir machen ein paar Aufnahmen. Sonst glaubt uns das kein Mensch.«
    Sue zögerte eine Sekunde, wandte sich dann mit einem Ruck um und verschwand mit schnellen Schritten unter Deck. Sie schien froh zu sein, dem schrecklichen Anblick entkommen zu können, auch wenn es nur für wenige Augenblicke war.
    Frank griff zögernd nach dem Ruder. Die CAVALLO schwenkte um mehrere Grade herum und kreuzte den hypothetischen Kurs der Reiter jetzt in spitzem Winkel. Er wollte auf jeden Fall ein paar Aufnahmen von der Reiterhorde schießen. Die Bilder würden ihn und Sue berühmt machen. Und wahrscheinlich konnte er, wenn er es geschickt anfing, viel Geld damit verdienen.
    Die Dieselmotoren dröhnten auf, als er den Gashebel bis zum Anschlag vorschob. Das Boot machte einen spürbaren Satz, zitterte für einen Moment auf der Stelle und schoss dann mit wahnwitziger Geschwindigkeit vorwärts. Frank hielt sich automatisch am Ruder fest, um nicht von den Füßen gerissen zu werden. Für einen Augenblick hatte er vergessen, wie stark die Motoren der CAVALLO waren.
    Aber auch die Reiter schienen die heranjagende Jacht bemerkt zu haben. Ihre Geschwindigkeit verlangsamte sich zusehends. Schließlich kam der wilde Galopp vollkommen zum Stillstand, und für einen winzigen, grauenhaften Augenblick hatte Frank das Gefühl, von einem Dutzend dunkler Augenpaare gemustert zu werden.
    Zum ersten Mal, seit das unerklärliche Phänomen aufgetreten war, kam ihm die Möglichkeit zu Bewusstsein, in Gefahr zu schweben.

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