Raven - Schattenreiter (6 Romane)
Dämon würde ihn niemals bis dorthin kommen lassen.
»Über leg dir, was du tust«, sagte Raven. »Ich kann dich immer noch ...«
Diesmal verfehlten seine Worte ihre Wirkung. Der Unheimliche war zu wütend, um die Gefahr zu erkennen, in die er sich begab.
Er stieß einen hohen, spitzen Kampfschrei aus, federte in den Knien und drang mit wirbelnden Fäusten auf Raven ein. Sein Gesicht war zu einer verzerrten Grimasse geworden.
Raven blockte den ersten Schlag mit dem Unterarm ab, duckte sich unter einem Schwinger des Riesen weg und stieß dem Titanen die Schulter in den Leib.
Der Zusammenprall ließ die beiden Gegner auseinandertaumeln. Raven stolperte, tastete verzweifelt mit dem Fuß nach Halt - und trat ins Leere!
Einen Moment lang kämpfte er mit wild rudernden Armen um seine Balance, dann warf er sich mit einem verzweifelten Ruck nach vorne und fiel schwer auf beide Knie.
Aber der Dämon setzte schon wieder zum Angriff an. Er schleuderte Raven vollends zu Boden und ließ ihn erneut auf den Abgrund zurollen. Der Schmerz trieb Raven die Tränen in die Augen. Er hob in einer instinktiven Abwehrbewegung die Arme und fing einen Fausthieb ab.
Eine riesige Hand griff nach seinem linken Arm, riss Raven wie ein gewichtsloses Spielzeug vom Boden hoch und schüttelte ihn wild. Zwei, drei Schläge trieben Raven die Luft aus den Lungen. Ein schwarzes, verzerrtes Gesicht erschien in den Schleiern vor seinen Augen.
Raven handelte instinktiv. Seine Rechte krallte sich in das Gesicht des Dämons, bekam irgendetwas Weiches, Nachgiebiges zu fassen und riss mit verzweifelter Kraft daran. Der Schattenreiter schrie auf. Der Griff seiner Hände lockerte sich für einen Augenblick.
Und Raven nutzte diese Chance. Er warf sich zurück. Mit dem linken Fuß stieß er dem Dämon gegen die Beine.
Der Dämon schrie auf, taumelte zurück und ließ sein Opfer vollends los. Die schmale Felsbrücke bebte, als der schwere Körper zu Boden krachte.
Raven blieb schwer atmend stehen. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, den Dämon in diesem Augenblick anzugreifen und vollends in den Abgrund zu schleudern. Aber er tat es nicht. Irgendetwas in seinem Inneren hinderte ihn daran, das Wesen zu ermorden. Er hatte mehr als einen Schattenreiter getötet, seit er den Kampf gegen diese Wesen aus den Dimensionen des Grauens aufgenommen hatte, aber das war in Notwehr geschehen. Wenn er den halb bewusstlosen Dämon jetzt in die Tiefe stieß, wäre das kaltblütiger Mord.
Seine Hemmungen kosteten ihn um ein Haar das Leben. Der Schattenreiter erholte sich in überraschend kurzer Zeit - und er kannte keine Skrupel wie sein Gegner. Er rollte sich herum, sprang auf die Füße und drang mit einem Schrei auf Raven ein. Seine riesige, zu einer Kralle verkrümmte Hand durchbrach Ravens Deckung, traf dessen Brust und ließ ihn zurücktaumeln.
Raven schrie auf. Er versuchte, einen weiteren Schlag abzuwehren, und verlor vollends die Balance auf dem schmalen Felsstück. Der Abgrund gähnte plötzlich wie ein gigantisches, gierig aufgerissenes Maul unter ihm.
Für eine halbe Sekunde schien Raven bewegungslos in der Luft zu hängen, dann stürzte er zu Boden, schlug schwer mit der Hüfte auf dem Fels auf und rollte über die Kante ins Nichts.
Raven griff in einer verzweifelten Bewegung nach oben. Seine Finger bekamen die Felskante zu fassen und verkrallten sich darin. Ein heftiger Ruck ging durch seine Arme. Schmerzen explodierten in seinem Rücken, rasten wie eine feurige Welle an seinen Nervenbahnen entlang und trieben ihm die Tränen in die Augen.
Unter ihm war das Nichts - ein schwarzer, bodenloser Abgrund, in dem nur noch ein endlos langer Sturz und ein kurzer, schmerzloser Tod auf ihn warteten. Er hing mit angehaltenem Atem an der Felskante, versuchte das Pendeln seiner Beine auszugleichen und den Schmerz in seinen Fingerspitzen zu ignorieren.
Es ging nicht. Seine Hände schienen in Flammen zu stehen. Der Druck wurde langsam unerträglich. Er spürte, wie seine Fingernägel auf dem glasharten Felsen abbrachen. Er spürte, wie er Stück für Stück absackte. Seine Fingerspitzen würden das Gewicht seines Körpers nicht mehr lange halten können.
Ein riesiger schwarzer Schatten wuchs drohend über ihm empor. Raven warf stöhnend den Kopf in den Nacken und blickte in das Gesicht des Schattenreiters. Die dunklen, pupillenlosen Augen flackerten.
»Hilf - mir ...«, keuchte Raven. Seine Stimme war ein kaum hörbares Röcheln. Er rutschte ein weiteres Stück ab,
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