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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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noch nie ein Erlebnis wie heute Nachmittag gehabt.
    Er betrat das Foyer und atmete tief ein. Der weite, hohe Raum war verwaist bis auf einen einsamen Türsteher und die Frau hinter der Kasse, die ihm neugierig entgegenblickten, sich aber nicht weiter um ihn zu kümmern schienen.
    Die Schatten waren wieder da.
    Er hatte es den ganzen Nachmittag über gespürt, aber er hatte versucht, die Erscheinung zu ignorieren, sich selbst einzureden, dass er unter Halluzinationen oder sonst was litt. Und er hatte es auch aufgegeben, dem huschenden Nichts vor seinen Augen nachzujagen. Die Erscheinung war da. Aber er würde sich davon nicht in den Wahnsinn treiben lassen. Er hatte keine Lust, so zu enden wie Pendrose.
    Wenn er das Problem überhaupt lösen wollte, dann nur mit Logik und eiskalter Überlegung. Er wusste, dass der Dämon verwundbar war. Entweder Pendrose oder einer der Wachleute hatten ihn verletzt, und was einmal gelungen war, würde auch ein zweites Mal funktionieren. Außerdem, überlegte er spöttisch, mussten auch Geister ihre schwachen Stellen haben. Wäre das nicht so, wäre dies eine Welt der Dämonen, nicht der Menschen.
    Er begann, unruhig in der Halle auf und ab zu gehen. Drinnen wurde der Vorhang zum zweiten Akt zurückgezogen. Das dumpfe Raunen der Zuschauer verstummte, und durch die geschlossenen Türen drangen jetzt die gedämpften Stimmen der Schauspieler.
    Und Pferdegetrappel.
    Raven runzelte die Stirn. Pferdehufe? Das Stück spielte in irgendeinem obskuren Hotel an der amerikanischen Westküste, eine von diesen ewig gleichen Verwechslungskomödien, in denen alles Mögliche passieren konnte.
    Aber Pferde hatten darin sicher nichts zu suchen.
    Er legte den Kopf schräg, schloss die Augen und lauschte. Das Geräusch blieb, schien sogar lauter zu werden: das Klappern harter Hufe auf steinigem Untergrund. Gleichzeitig glaubte er, einen schwachen, kaum wahrnehmbaren Geruch aufzufangen, Geruch von heißem Sand und Schweiß, nach ...
    Der Schattenreiter!
    Er war hier! Raven fuhr herum. Aber natürlich war die Halle leer bis auf die beiden Menschen vorne an der Kasse.
    Plötzlich war die Angst wieder da, die gleiche schleichende Panik, die ihn schon am Nachmittag überfallen hatte, als das grauenhafte Ding in seinem Apartment aufgetaucht war.
    Er wich langsam zum Zuschauerraum zurück. Seine Beine bewegten sich träge und widerwillig, und das Vorankommen schien mit jedem Schritt schwerer zu werden. Irgendetwas, eine schreckliche, unwiderstehliche Kraft, schien ihn daran hindern zu wollen, den Zuschauerraum zu betreten, in die relative Sicherheit der Menschenmenge dort drinnen zu fliehen.
    Er warf sich mit einem erstickten Aufschrei herum und rannte auf den Ausgang zu. Aber auch dort traf er auf die gleiche unsichtbare Barriere. Es war, als wate er durch zähen Sirup. Seine Beine schienen mit einem Mal so schwer wie Blei zu sein, jeder Schritt wurde zur Qual.
    Schatten wogten vor seinen Augen. Schwarze, neblige, zerfaserte Schatten, die sich zusammenballten, wieder auseinanderflossen und sich neu formten, um allmählich die Umrisse eines gigantischen schwarzen Reiters anzunehmen.
    Raven sah die Gestalt jetzt zum ersten Mal ganz deutlich, und der Anblick jagte ihm einen eisigen Schauer über den Rücken. Pferd und Reiter mussten zusammen über drei Meter groß sein. Der Mann war in einen wallenden schwarzen Umhang gehüllt, der seine Gestalt fast vollkommen verbarg. Auch von seinem Gesicht war nicht viel zu sehen, aber das Wenige, das Raven erkennen konnte, reichte, um ihm die Kehle zuzuschnüren.
    Das Reittier stand seinem Herrn an Hässlichkeit kaum nach. Die Ähnlichkeit mit einem Pferd bestand nur auf den ersten Blick. Es war irgendein knochiges, gepanzertes, hässliches Fabeltier, dessen Kopf eher dem einer schuppigen Echse glich als dem eines Pferdes. Zwischen den halb geöffneten Kiefern schimmerte ein furchtbares Raubtiergebiss, und die Gelenke waren mit langen, hornigen Stacheln versehen.
    Und dann setzte sich der Schattenreiter in Bewegung ...
    Inspektor Card drückte ungeduldig zum dritten Mal auf den Klingelknopf.
    »Ich weiß genau, dass er da ist«, sagte er. »Der Kerl macht bloß nicht auf.« Er musterte wütend die offen stehenden Türhälften der Liftkabine, die sich beharrlich weigerte, sie ins Penthouse hinaufzutragen. Sie waren bis in die elfte Etage gelangt; ab hier streikte der Lift. Card kannte diese Einrichtung. Niemand konnte mit einem solchen Aufzug ins Penthouse hinauffahren, wenn

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