Raven - Schattenreiter (6 Romane)
auf die Treppe los. Hinter ihm wurde das helle Klappern von Pferdehufen auf dem harten Boden laut.
Im letzten Augenblick warf sich Raven zur Seite. Die Klinge fuhr heiß und brennend über seine Schulterblätter, und etwas Warmes, Klebriges lief über seinen Rücken. Aber der Geisterreiter war vorbei, und der nächste Schlag seines Krummsäbels zischte harmlos durch die Luft. Der Unheimliche preschte, vom Schwung seines Ansturmes getragen, ein paar Stufen empor, ehe es ihm gelang, sein Pferd anzuhalten und zu wenden.
Raven konnte diese wilde Jagd höchstens noch ein paar Sekunden durchstehen. Und er wusste, dass er hier gefangen war. Die beiden einzigen Ausgänge waren durch die unsichtbare Barriere versperrt.
Der Schattenreiter stieß ein wütendes Knurren aus, schwang seinen Säbel und griff erneut an. Die Hufe seines Reittieres trommelten in rasendem Stakkato auf den Boden.
Raven setzte alles auf eine Karte. Er wartete, bis die Erscheinung auf Armeslänge vor ihm war, tauchte Millimeter unter der rasiermesserscharfen Schneide des Säbels hindurch und schlug mit aller Kraft zu.
Aber gegen den Schattenreiter schienen menschliche Kampftechniken wirkungslos zu sein. Ravens Faust drang so mühelos durch seinen Körper, als schlüge er in Nebel. Seine Faust traf auf keinen Widerstand, und Raven taumelte, verzweifelt um sein Gleichgewicht kämpfend, nach vorne. Er hörte ein irres, hämisches Lachen hinter sich, rollte sich über die Schulter ab und kam mit einer geschmeidigen Bewegung wieder auf die Füße.
Der Unheimliche hatte angehalten. Sein Pferd scheute unruhig und tänzelte mit den Vorderbeinen.
»Du kämpfst gut für einen Sterblichen«, sagte er anerkennend. Seine Stimme hatte den Klang von zermahlenem Glas. »Aber du wirst trotzdem sterben.« Er hob den Säbel, sprang mit einer eleganten Bewegung aus dem Sattel und drang auf Raven ein. Seine Waffe zischte durch die Luft.
Raven duckte sich weg, taumelte ein paar Schritte zurück und wartete auf den nächsten Angriff. Seine Gedanken überschlugen sich. Unter normalen Umständen wäre es eine Kleinigkeit für ihn gewesen, mit einem einzelnen Gegner fertig zu werden. Aber der Angreifer war kein Mensch, sondern ein bloßer Schatten, gegen den jede körperliche Abwehr sinnlos sein musste.
Er duckte sich unter dem nächsten Schlag weg, stieß automatisch mit dem Fuß nach und fiel der Länge nach hin, als er glatt durch den Körper des Unheimlichen fiel.
Er schlug schwer auf den Rücken. Für eine kurze, schreckliche Sekunde sah er den Körper des Schattenreiters riesig und drohend über sich aufragen.
Dann sauste der Säbel herab.
Raven warf sich im letzten Moment herum. Die Waffe klirrte Millimeter neben seinem rechten Ohr auf den Boden. Funken stoben auf, und ein heißer, sengender Schmerz fuhr durch Ravens Wange.
Er hatte in diesem Augenblick keine Zeit zu überlegen. Er reagierte ganz automatisch. Seine Hände zuckten vor, packten die silberne, gekrümmte Klinge des Säbels und zogen daran.
Ein irrsinniger Schmerz fuhr durch seine Hände. Raven schrie auf. Aber er ließ nicht los. Es würde sein Ende bedeuten, wenn er jetzt losließ.
Zwischen seinen Fingern sickerte Blut hervor, und der Schmerz steigerte sich ins Unerträgliche, als der Schattenreiter ein wütendes Knurren ausstieß und an der Waffe zog. Raven bäumte sich auf, legte alle Kraft in eine blitzschnelle, ruckartige Drehung seiner Handgelenke - und riss dem Unheimlichen den Säbel aus der Hand.
Hinter ihm wurden jetzt aufgeregte Stimmen laut und das Trappeln von Schritten. Offenbar hatte die Kassiererin Hilfe herbeigerufen.
Der Schattenreiter sah sich mit einer ärgerlichen Bewegung um und wich einen Schritt zurück.
»Hund!«, zischte er. »Elender! Diesmal bist du mir entwischt, aber das nächste Mal werde ich dich töten!« Er schnippte mit den Fingern, hob mit einer blitzschnellen Bewegung seinen Säbel auf und schwang sich in den Sattel.
Dann verschwand er.
Raven stöhnte gequält auf. Seine Hände schienen in Flammen zu stehen, und sein Herz klopfte so heftig, dass das Dröhnen seines Pulsschlags alle anderen Geräusche zu übertönen schien. Wie durch einen wallenden roten Schleier sah er Gestalten um sich herum auftauchen, fragende, besorgte Gesichter, die sich über ihn beugten.
Dann endlich verlor er das Bewusstsein.
»Du hast alles gehört?«
Carol antwortete nicht, aber der Ausdruck in ihrem Gesicht sagte ihm mehr als alle Worte. »Ich wusste nicht, dass du so hart
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