Raven - Schattenreiter (6 Romane)
schien hinter der Stirn der Frau zu explodieren. Dann hüllte sie barmherzige Dunkelheit ein.
»Ich denke nicht daran, dich dorthin zu fahren«, sagte Janice entschieden. Ihre Stimme bebte vor Zorn. »Ich werde dich nirgendwohin fahren. Höchstens zurück in die Klinik.«
»Aber ich muss zu Candley.«
»Du musst überhaupt nichts«, sagte Janice trotzig. »Und mit den Händen« - sie wies mit einer Kopfbewegung auf den verdreckten, durchgebluteten Verband - »fährst du bestimmt nirgendwohin.«
Raven verzog schmerzhaft das Gesicht. Die Wunden waren wieder aufgebrochen und bluteten, der Schmerz war fast unerträglich.
»Ich kann mir auch ein Taxi rufen«, sagte er mürrisch. »Das dauert nur länger. Aber ich werde zu Candley fahren. Er schwebt in Lebensgefahr. Er oder das Mädchen, das er bei sich hat.«
»Dann ruf Card an und überlass ihm die Sache«, zischte Janice. »Schließlich wird er dafür bezahlt, du nicht.«
Raven stand auf, zerrte mit den Zähnen an der Binde, die seine rechte Hand umhüllte, und begann sie ungeschickt abzuwickeln.
»Was hast du vor?«, fragte Janice.
»Du hast ganz richtig festgestellt, dass ich damit nicht fahren kann«, sagte er. »Dann mache ich den Verband eben ab.«
»Du bist verrückt. Total übergeschnappt. Sei froh, dass du so glimpflich davongekommen bist!«
Raven fuhr fort, den Verband abzuwickeln. »Fährst du mich?«
»Warum rufst du Card nicht an?«
»Ich habe es versucht. Er ist nicht zu Hause.«
»Aber er ist doch nicht der einzige Polizist in dieser Stadt!«, schrie Janice.
Raven lächelte sarkastisch. »Aber der einzige, der genauso verrückt ist wie ich, um bei deinem Wortschatz zu bleiben.« Er löste den Verband ganz, ließ die Binde achtlos zu Boden fallen und machte sich daran, auch die Linke auszuwickeln. Hellrotes Blut tropfte auf den Teppich zu seinen Füßen, und um seinen Mund spielte ein gequälter, schmerzhafter Ausdruck.
Janice gab auf. »Okay«, seufzte sie. »Wenn du dich unbedingt umbringen willst, will ich dir nicht im Wege stehen. Ich bringe dich hin.«
Sie verließen das Apartment und fuhren mit dem Lift zur Tiefgarage hinunter. Raven fuhr unterwegs fort, den Verband zu lösen.
»Ich werde meine Hände brauchen, wenn ich gegen dieses Ungeheuer kämpfen will«, erklärte er auf Janice' fragenden Blick.
»Du wirst sie bald überhaupt nicht mehr gebrauchen können, wenn du so weitermachst«, murmelte Janice. Sie öffnete die Wagentür, hielt Raven die Beifahrertür auf und startete den Motor.
Raven antwortete nicht. Er kannte Janice lange genug, um zu wissen, dass ihre Aggressivität nur der Sorge um ihn entsprang.
»Fahr schneller«, sagte er, als sie die Hauptstraße erreicht hatten und in Richtung City fuhren. »Wir haben keine Sekunde zu verlieren.«
Janice zuckte ergeben mit den Schultern und trat das Gaspedal durch. Der Motor des Maserati brüllte auf. Häuser, Autos und Straßenzüge wurden zu verwischten Schemen, während sie mit halsbrecherischer Geschwindigkeit über die verlassenen Straßen preschten. Ein einsamer Streifenpolizist pfiff hinter ihnen her und kritzelte dann etwas auf einen Notizblock.
»Prima«, sagte Janice säuerlich. »Aber was soll ich auch mit einem Führerschein? Den Wagen werden wir sowieso verkaufen müssen, um die Anzeige zu bezahlen.«
»Reg dich nicht auf«, bat Raven. »Wir sind ja gleich da.«
Das Haus ragte wie ein gigantisches Monument aus Glas und Beton vor ihnen empor, als Janice den Wagen mit kreischenden Reifen an die Bordsteinkante lenkte.
Raven riss die Tür auf und sprang ins Freie. »Versuch du noch ein mal, Card zu erreichen«, sagte er. »Im Penthouse brennt Licht, Candley muss also zu Hause sein.« Er stieß sich vom Wagen ab, rannte über den Rasen auf das Haus zu und warf sich gegen die Tür.
Sie war verschlossen.
Raven zögerte einen Moment. Aber er hatte keine Zeit zu verlieren. Achselzuckend trat er zurück, schmetterte einen Stein gegen das Glas der Tür, und in der zentimeterstarken Scheibe erschienen verästelte Risse. Raven schlug noch einmal zu. Diesmal zersplitterte die Scheibe, und nach dem dritten Schlag hatte er eine Öffnung geschaffen, die groß genug war, um sich hindurchzuquetschen.
Er rannte durch die verwaiste Halle, sprang in eine offen stehende Liftkabine und drückte den obersten Knopf. Die Türhälften glitten mit quälender Langsamkeit zusammen, und die Kabine setzte sich in Bewegung.
Genau bis zur elften Etage. Dann hielt der Aufzug an, die
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