Raven - Schattenreiter (6 Romane)
zuschlug, duckte er sich blitzschnell unter seinem Arm weg und trieb dem Gangster den Ellbogen in die Rippen. Er hörte, wie Rouwland gedämpft stöhnte und zurücktaumelte, fuhr herum, fing einen heimtückischen Tritt des zweiten Schlägers ab und schlug mit aller Wucht zurück.
Cowley stürzte wie ein gefällter Baum zu Boden.
Lance drehte sich schwer atmend herum. Rouwland hockte neben dem Schreibtisch auf dem Boden und hielt sich seine schmerzenden Rippen. Seine Augen loderten vor Hass.
»Das hättest du nicht tun sollen, Kleiner«, stieß er keuchend hervor. »Es war nicht richtig.« Er stand auf, atmete mühsam ein und bewegte sich geduckt auf Lance zu. »Jetzt mach ich dich fertig.«
Er sprang ohne Vorwarnung. Lance federte zur Seite, aber Rouwland erwischte ihn am Arm und riss ihn mit sich zu Boden. Aneinandergeklammert kugelten sie durch den Raum.
Lance versuchte verzweifelt, die Schläge abzufangen, aber der Killer war ihm sowohl an Kraft als auch an Kampferfahrung haushoch überlegen. Die Schläge trieben Lance an den Rand der Bewusstlosigkeit.
Er sah die Faust des Killers durch einen roten, wallenden Vorhang auf sich zurasen. Er stolperte zurück, fing den Schlag mit einer kraftlosen Bewegung auf und taumelte gegen den Schreibtisch.
Lance stöhnte. Er wusste, der Gangster würde ihn fertigmachen, ihn so zusammenschlagen, dass er von Glück reden konnte, wenn er lebend hier herauskam.
Seine Hände tasteten blind über die Schreibtischplatte, erfassten etwas Kühles, Glattes und umklammerten es.
Als sich Rouwland vor ihm aufbaute, um ihm den Rest zu geben, stieß Lance zu.
Rouwland schrie auf, torkelte zurück und starrte mit aufgerissenen Augen auf die schmale Klinge des Brieföffners, die aus seinem Unterarm ragte. Auf seinem Jackenärmel breitete sich langsam ein dunkler, feucht glänzender Fleck aus.
Lance begriff sofort, dass er jetzt eine Chance hatte. Er stieß sich von der Tischkante ab, rammte dem Gangster das Knie in den Magen und schlug ihm die gefalteten Hände in den Nacken, als dieser sich zusammenkrümmte.
Rouwland krachte zu Boden und blieb reglos liegen.
Es war beinahe Mittag, als Lance das Haus seines Vaters erreichte. Irgendwie hatte er es geschafft, aus dem Club zu entkommen, und irgendwie war es ihm auch gelungen, die Verfolger abzuschütteln, die Thompson ihm auf die Fersen gesetzt hatte.
Er hatte sich wie ein Idiot benommen. Aber die Einsicht kam viel zu spät. Thompson würde es jetzt nicht mehr dabei bewenden lassen, sein Geld einzutreiben. Seine Killer würden ihn hetzen, und Lance machte sich keine Illusionen darüber, was sie mit ihm machen würden, wenn sie ihn hatten.
Es ging dabei gar nicht mehr um das Geld. Viertausend Pfund gab Thompson mit der gleichen Unbekümmertheit aus, mit der andere Leute sich ein Bier oder ein Sandwich bestellten. Aber Lance hatte es gewagt, sich gegen den allmächtigen Gangsterboss aufzulehnen - ein Verbrechen, für das es nur eine Strafe gab. Den Tod.
Er parkte den Wagen in der Auffahrt, schlurfte mit hängenden Schultern den kiesbestreuten Weg hinauf und öffnete die Haustür. Drinnen war es kühl und dämmerig; eine Wohltat nach der brütenden Hitze des Juli-Vormittags. Aber Lance spürte den Unterschied kaum.
Er schlich auf Zehenspitzen durch die weitläufige Eingangshalle. Das Haus war leer - sein Vater hatte der Köchin und dem Hausmädchen für die Dauer der Expedition frei gegeben, aber Lance hatte trotzdem Hemmungen, die fast sakrale Ruhe des Hauses zu stören. Durch die Ritzen der Jalousien schimmerte Sonnenlicht in schrägen, flirrenden Streifen, und seine Füße wirbelten Staub auf.
Er ging ins Wohnzimmer, trat an die Bar und mixte sich einen Drink. Nicht, dass er Durst hatte. Aber er brauchte einfach etwas, um seine Hände zu beschäftigen. Völlig tatenlos dazusitzen wäre ihm unerträglich erschienen.
Als er sich umdrehte, sah er in das Gesicht seines Vaters.
Der Schock hätte kaum größer sein können, wenn Thompson persönlich in dem schweren Ohrensessel gesessen hätte. Lance stand fassungslos da. Seine Finger umklammerten das Whiskyglas so fest, dass es zerbrach. Er spürte den Schmerz kaum.
»Vater ...«, stammelte er. »Du - du bist zurück ...«
Der alte Mann antwortete nicht. Im schattigen Dämmerlicht des Raumes wirkte er plötzlich uralt und verbraucht. Es war, als wäre er um Jahre gealtert, seit Lance ihn das letzte Mal gesehen hatte.
Lance spürte, wie seine Hände zu zittern begannen. Seine
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