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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Schwärze, und irgendwo tropfte langsam und regelmäßig Wasser. Schwerer, durchdringender Modergeruch hing in der Luft, und in den Winkeln zwischen Decke und Wand hatte sich phosphoreszierender Schimmelpilz angesiedelt, der dem Raum eine unwirkliche, gespenstische Atmosphäre gab.
    Die Gestalt stand reglos inmitten des kleinen, würfelförmigen Raumes. Früher, vor zehn oder fünfzehn Jahren vielleicht, hatte der Raum zu dem ausgedehnten Untergrundbahnsystem gehört, das London wie ein endloses Labyrinth überdimensionaler Maulwurfsgänge durchzog. Die Linie war stillgelegt worden, und die Züge fuhren jetzt auf einer moderneren, großzügigeren Trasse einige Dutzend Yards tiefer unter der Erde. Man hatte sich nicht die Mühe gemacht, die aufgegebenen Stollen zuzuschütten; stabile Gitter aus fast zollstarken Eisenstäben verschlossen die Tunnel, und die überall aufgestellten Warnschilder taten ein Übriges, um Neugierige abzuhalten.
    Lance bewegte sich unruhig.
    Auf seiner Stirn perlte Schweiß, und sein Gesicht zuckte wie unter einem inneren, stummen Kampf. Seine Lippen formten lautlose Worte - Worte, die seit Tausenden von Jahren nicht mehr gesprochen worden waren.
    Das Schwert in seinen Händen begann zu glühen, zuerst in einem sanften gelben Licht, dann heller und immer heller, bis der Glanz der silbernen Klinge den winzigen Raum wie das Feuer einer gefangenen Sonne auszufüllen schien. Tanzende Schemen begannen sich in das Gleißen zu mischen. Schatten, die zum Teil an menschliche Umrisse, zum Teil an etwas namenlos Fremdes erinnerten.
    Lance stöhnte. Sein Gesicht zeigte die Spuren der unmenschlichen Konzentration, die er aufbrachte, aber seine Lippen bewegten sich immer weiter, murmelten Worte und Verse und schufen einen seltsam asymmetrischen Gegentakt zum Tanzen der Schatten.
    Allmählich begannen sich Bilder aus dem Schatten zu schälen; eine Gestalt, ein Gesicht. Dunkle, grausame Augen. Thompson. Das Bild wurde langsam plastisch, die Perspektive erweiterte sich. Nach einer Weile konnte Lance die Wohnung erkennen, in der sich der Gangsterboss versteckt hielt.
    Ein dumpfes Raunen und Flüstern schien die Katakombe auszufüllen. Das Bild wechselte. Lance erkannte ein hohes, elegantes Apartmenthaus, einen Straßenzug.
    Dann, von einer Sekunde zur anderen, erlosch das grelle Licht, und mit ihm verwehten die Schatten und die Bilder, die Lance erblickt hatte.
    Aber er hatte genug gesehen.
    Langsam, mit roboterhaften, steifen Bewegungen, setzte er einen Fuß vor den anderen und verließ sein Versteck.
    »Verdammte Sauerei«, knurrte Card. Er betrachtete das verwüstete Zimmer mit wilden Blicken, fuhr schließlich herum und stürmte auf Raven zu. »Wenn Sie zwei Minuten früher gekommen wären ...«
    »... hätte Lance mit mir wahrscheinlich das Gleiche gemacht wie mit dem da!« Raven deutete auf den reglosen Körper des Killers und grinste humorlos.
    Card starrte ihn einen Herzschlag lang grimmig an.
    »Was wissen Sie darüber?«, schnappte er schließlich.
    Raven zuckte mit den Achseln. »Nichts, im Grunde. Ich bin auf Vermutungen angewiesen, genau wie Sie.«
    »Aber Sie dürfen wenigstens vermuten«, sagte Card leise. »Wenn ich meinem Chef sage, was ich wirklich über diesen Fall denke, dann regele ich morgen Vormittag wieder den Verkehr auf irgendeiner Kreuzung.« Er lachte humorlos. »Sie haben die Zeitungen gelesen?«
    »Was glauben Sie, weshalb ich hier bin? Der Tote im Yard ...«
    »Jemand hat Excalibur gestohlen«, sagte Card. »Und ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Cowleys Leiche in das Hospital gelangt ist.«
    »Cowley?«
    »Einer von Thompsons Schlägern«, erklärte Card.
    »Aber in der Zeitung stand doch ...«
    »Ich weiß, was in der Zeitung stand. Aber es gibt ja auch noch so etwas wie Fingerabdrücke.« Er schnaufte, stieß die Fäuste in die Manteltaschen und deutete mit einer Kopfbewegung auf den Toten. »Kennen Sie den Kerl?«
    »Nein.«
    »Garet«, sagte Card. »Ein übler Bursche. Ungefähr fünfhundert Festnahmen wegen Mordverdacht. Aber wir konnten ihm nie etwas beweisen.«
    »Das brauchen Sie jetzt auch nicht mehr«, sagte Raven trocken.
    Card überging die Bemerkung. »Ich fresse meinen Mantel, wenn Thompson nicht dahintersteckt«, sagte er. »Ich fürchte, ich habe den Kerl unterschätzt. Er ist noch skrupelloser, als ich gedacht habe. Wenn Biggs stirbt, haben wir praktisch keine Handhabe gegen ihn.«
    »Aber Sie haben seine Aussage.«
    Card verzog abfällig das Gesicht. »Die

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