Raven (Shadow Force) (German Edition)
und riss ihn zu Boden. Woher sie diese Energie nahm, keine Ahnung, er mochte locker sechzig Pfund mehr wiegen als sie. Er fiel um wie eine gefällte Eiche und sie plumpste auf ihn. Das Gestein schlug mit lautem Getöse nur wenige Zentimeter neben ihnen auf den Boden. Knapp, äußerst knapp. Ihr Blut pulsierte heftig in ihren Adern und sekundenlang war sie nicht in der Lage zu atmen.
Dann war es still.
Sie lag auf seinem Körper und spürte seinen Herzschlag, der ähnlich hektisch war wie ihr eigener. Er lebte. Es ging ihm halbwegs gut, das war wichtig. Er hatte sie gerettet so wie sie ihn. Ihre Wunden würden heilen. Irgendwann. So wie ihre Seele. Wenn sie diesen Tag überlebt hatte, würde sie alles schaffen. Frank hatte manchmal gesagt, dass man erst bei drohender Gefahr spürte, was wirklich in einem steckte. Was man ertragen und leisten konnte, wenn das eigene Leben oder das Leben der Menschen in Gefahr war, die man liebte und schützen wollte. Jetzt allerdings wollte sie nur noch schlafen. Am liebsten gleich hier. Fragen konnte sie später noch. In seinen Armen fühlte sie sich verdammt gut aufgehoben.
„Lianne?“ Sie spürte seine Hand auf ihrer Wange.
Sie wollte antworten, aber sie konnte die Augen kaum offen halten, geschweige denn sprechen. Ihr Körper war kraftlos, wie erstarrt und schmerzte. Wie auch immer, das Gefühl von Gefahr verebbte endgültig. Sie spürte, wie er sie hochhob. Er trug sie vorsichtig weiter und seine Berührungen waren nun beinahe sanft, als sei ihr verletzter Körper eine kostbare Fracht. Sie seufzte dankbar und lehnte ihren Kopf an seine breite Brust, während er sie aus dem Inferno trug und sie langsam das Bewusstsein verlor.
*
Raven hastete im Laufschritt durch die gaffende und entsetzte Menschen menge, weg von den vielen Polizisten, Beamten, Notärzten und unzähligen Feuerwehrleuten, die sich vor der City Hall versammelt hatten und zu retten versuchten, was zu retten war. Er meinte, die Hitze der Flammen noch immer auf seiner staub-, blut- und rußverkrusteten Haut zu spüren, während das Heulen der Sirenen und die vielen Stimmen langsam leiser wurden. Der Rauch ätzte in seinen Lungen und machte das Atmen schwer. Er hatte Lianne aus dem brennenden Gebäude bringen und retten können. Das war das Wichtigste. Sie war nun in guten Händen und würde in eines der Londoner Krankenhäuser transportiert werden. Er hatte aus einiger Entfernung ihre Erstversorgung und den Abtransport genau beobachtet. Sie war wieder bei Bewusstsein gewesen, was ein gutes Zeichen war. Allzu schwer war sie sicherlich nicht verletzt worden, doch der Schock und einige Blessuren, er vermutete eine leichte Gehirnerschütterung, würden sie noch einige Tage ans Bett binden. Das hoffte er wenigstens, denn im Krankenhaus würde sie halbwegs sicher sein. Hoffentlich war sie nicht so ein Stehaufmännchen wie ihr Bruder Frank. Er würde daher ein Auge auf sie haben müssen. Einige Menschen hatten es allerdings nicht geschafft und das kreidete er sich selbst an. Er blickte sich um, doch konnte keine Verfolger ausmachen. Endlich erlaubte er sich, langsamer zu gehen und er atmete die frische Luft tief ein und aus. Sein Pulsschlag beruhigte sich allerdings kaum und seine Stirn glühte vor Hitze. Sein Hemd war nur noch ein verdreckter, klebriger und schweißdurchtränkter Fetzen und seine Augen schmerzten. Es war kein guter Tag, wie so viele Tage in den letzten Wochen und Monaten. Diese ver dammten Mistkerle. Mit dieser Bombenshow hatten sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen wollen. Minister Hague und Lianne auf einen Schlag erledigen. Er wusste nicht einmal, worum es ging. In der vergangenen Nacht hatte er sich an ihrem kleinen, klapprigen Fiat zu schaffen gemacht und gehofft, dass sie zu spät zu ihrem Termin in der City Hall kommen würde. Er konnte nicht an allen Stellen gleichzeitig sein und es hatte ihn enorme Kräfte gekostet, alles andere zu regeln. Leider hatte er es nicht geschafft, alle Sprengladungen zu entschärfen, wobei alle auch nicht funktionsfähig gewesen waren. Dennoch war es ihm gelungen, die City Hall vor dem Einsturz zu bewahren und den angestrebten Schaden somit möglichst gering zu halten. Es war anders, wenn er das Team an seiner Seite wusste. Mittlerweile hatte er sich als früherer Einzelgänger an Teamwork und Kameradschaft gewöhnt und sogar Freundschaften geschlossen. Das Team, er knirschte mit den Zähnen. Was von ihm übrig geblieben war.
Zwei Blocks weiter lehnte er
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